Am nordwestlichen Rand des Lausitzer Seenlands liegt mit dem Großräschener See ein spannendes Ausflugsziel. Seitdem im März 2007 die Flutung des ehemaligen Braunkohletagebaus Meuro begann, kann man hier den allmählichen Wandel der Bergbaufolgelandschaft in Augenschein nehmen.
Der Stadthafen von Großräschen mit etwa 120 Liegeplätzen in einer künstlichen Bucht entstand durch eine Kerbe, die Tagebaugroßgeräte schon Jahre zuvor in die Böschung modelliert hatten. Das ist einzigartig im Lausitzer Seenland. Informationen zur Zukunft des Seenlands erhält man im Besucherzentrum auf den IBA-Terrassen am Großräschener Seeufer. Die modernen Pavillons entstanden im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA). Der Ausleger eines ehemaligen Abraumbaggers ragt heute als Brücke über den See hinaus und garantiert beeindruckende Ausblicke.
Wer hatte das gedacht? Zwischen IBA-Terrassen und Seebrücke wird Wein angebaut. Auf einem Hektar gedeihen hier neue Rebsorten – darunter Solaris, Cabernet blanc, Johanniter, Pinotin und Pinotin barrique –, die im Hinblick auf das spezielle Lausitzer Klima ausgewählt wurden. Brandenburgs einzige Steillage mit über 30 Prozent Hangneigung begünstigt den Abzug kalter Luft, der Großräschener See wirkt als Wärmelieferant. Die fruchtigen Weine sind von höchster Qualität. Im Shop des benachbarten Besucherzentrums IBA-Terrassen, online sowie in ausgewählten Lausitzer Supermärkten sind sie zu erwerben.
Unweit der IBA-Terrassen war das Seehotel Großräschen von Beginn an als Heimstatt eines Fälschermuseums konzipiert; es ist bislang einzigartig in Europa. In der Galerie im Erdgeschoss, auf den Zimmern, im Restaurant und im Treppenhaus haben sich inzwischen etwa 80 Bilder angesammelt – allesamt Werke der russischen Brüder Posin. Evgeni, Michael und Semjon Posin leben und arbeiten seit den 1980er Jahren in Berlin-Neukölln. Das Handwerk eigneten sie sich unter anderem in der Leningrader Eremitage an, wo sie als Restauratoren tätig waren. So lernten sie, die jeweiligen Maltechniken der Meister exakt zu kopieren und tun dies seither fleißig und gewissenhaft. Und wenn sich Leonardo da Vinci selbst über zwei Jahre Zeit für sein Meisterwerk ließ, so tun das die Posins genauso.
Besucher können sich kostspielige Reisen in das New Yorker MOMA, ins Reichsmuseum Amsterdam, in den Pariser Louvre oder den Madrider Prado sparen. Hier in Großräschen sind viele Höhepunkte meisterlicher Malerei fast authentisch, aus nächster Nähe und ganz in Ruhe zu betrachten, etwa die »Mona Lisa«. Sie ist wie das Pariser Original auf Pinienholz gemalt, hier aber mit rotem Hintergrund, dort prangt sie auf Blau. Um das weltbekannte Gemälde genauestens kopieren zu können, reiste das Fälschertrio sechsmal nach Paris.
Einst vermochte das Bildnis »Die nackte Maja« die Spanier von der Prüderie zu befreien. Der König hatte derartige Darstellungen verboten, Goya scherte sich nicht darum. Als der Regent die schöne Liegende aber erblickte, war er von ihr so angetan, dass er die Aktmalerei fortan erlaubte. An Rembrandts Monumentalgemälde »Nachtwache« malten die drei Brüder gemeinsam drei Jahre. Von Rubens’ »Krieg und Frieden« existiert nur das Großräschener Bild, das Original selbst gilt als verschollen. Es hing einst im Amsterdamer Reichsmuseum. Die Fälschergalerie führt auch junge Menschen an die Kunst heran. Oft kommen Schulklassen, die sich mit Malblock und Stift an ganz legalen Fälschungen der Fälschungen versuchen. Im Restaurant nebenan werden vorzügliche Speisen aufgetischt (tgl. 11.30–14 und ab 17.30 Uhr).
Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer LAUSITZ von André Micklitza.
LAUSITZ
Unterwegs zwischen Spreewald und Zittauer Gebirge
7., aktualisierte Auflage 2022
360 Seiten
ISBN 978-3-89794-587-6
16,95 €
Im Trescher Verlag ist vom selben Autor der Reiseführer SPREEWALD erhältlich.