Das Weinbaugebiet Bordeaux ist mit 118.000 Hektar Rebfläche das größte zusammenhängende Anbaugebiet der Welt, in puncto Quantität steht es allerdings nur auf Rang 3 aller 14 französischen Weinbaugebiete. Dies ist der strengen Reglementierung geschuldet, die je nach Lage im Bordelais auf 25 bis 125 Hektoliter pro Hektar begrenzt ist. »Qualität vor Quantität« ist die Parole. Aufgrund der historischen Entwicklung hat Bordeaux nicht nur einzigartige Weine, sondern auch ein einzigartiges Handels- und Vermarktungssystem, das sich von allen anderen in Frankreich unterscheidet.
Über Jahrhunderte kauften Weinmakler – courtiers – den Wein von den Winzern und verkauften ihn an die Weinhändler – négociants. Die Weinhändler mischten die Fassweine verschiedener Winzer und unterschiedlicher Herkunft nach ihrem Geschmack und verkauften ihn an die Kunden. Dadurch entstand über Jahrhunderte eine enge Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten. Noch immer werden 70 Prozent aller Weine über dieses Handelssystem vermarktet.
Dabei übernimmt der négociant im Frühjahr nach der Lese den Wein im Fass. Die Qualität des Jahrgangs ist aber zu dem Zeitpunkt schwer abzuschätzen. Für den Winzer hat der Verkauf den Vorteil, dass das Risiko auf den Händler übergeht, er zudem schnell Geld bekommt und sich nicht um Lagerkapazitäten kümmern muss. Die meisten Winzer können sich daher bis heute nicht vorstellen, sich selbst um die Vermarktung ihrer Weine zu kümmern.
84 courtiers vermitteln die Geschäfte zwischen Weingütern und Händlern, wofür sie jeweils zwei Prozent Provision des letztlich ausgehandelten Preises von beiden beteiligten Vertragspartnern bekommen. Aufgrund ihrer hohen Fachkompetenz werden courtiers oft von Auktionshäusern zur Erstellung von Expertisen herangezogen.
Winzer, Vermittler, Händler
Der négociant vermittelt dann die Weine zum Kunden, meist Weingeschäfte in aller Welt, aber auch direkt an Restaurants oder Weinbars sowie an Supermärkte. 300 Weinhändler gibt es im Bordelais, die meisten in Bordeaux selbst. Mehr als 80 Prozent des Weins verkaufen sie mittlerweile ins Ausland, in 170 Länder.
Seit dem 20. Jahrhundert verkaufen Weinhändler auch fertige, auf den Châteaux abgefüllte und etikettierte Flaschenweine. Aber auch die traditionelle Methode, Wein aufkaufen, lagern, verschneiden und dann unter eigenem Label zu verkaufen, macht noch immer einen Gutteil des Berufs eines Bordelaiser Weinhändlers aus.
Da die Weine in 900-Liter-Fässern, nach dem englischen Wort für »Menge« bulks genannt, zu den négociants geliefert wurden, nennt man die Grundweine noch heute Bulk-Weine. Durch die Herstellung einer eigenen Cuvée kann der Weinhändler Einfluss auf die zum Verkauf stehende Menge eines Jahrgangs nehmen und damit auf den zu erzielenden Preis. Das Risiko, das er mit dem frühzeitigen Erwerb des Weins auf sich genommen hat, kann er durch diese Praxis minimieren.
Durch den Klimawandel ist in den letzten Jahren das Risiko zudem geschrumpft, da sehr gute Jahrgänge immer in sehr heißen Jahren entstehen. Seit der Jahrtausendwende gab es überdurchschnittlich viele gute bis sehr gute Jahrgänge.
Bordeaux-Wein im Wandel
Da der Händler die Schnittstelle zum Käufer ist, weiß er auch als Erster um die Kundenwünsche. Da die wenigsten zu Hause die Möglichkeit zu perfekter Weinlagerung haben, wurde der Wunsch nach früher trinkbaren Weinen immer größer. Zuerst haben die négociants bei ihren Cuvées darauf reagiert, dann zogen aber auch die Weingüter selbst nach. Dadurch hat sich die Stilistik roter Bordeaux-Weine in den letzten Jahren deutlich verändert. Sie sind heute früher trinkreif und fruchtbetonter als noch vor 20 Jahren.
Dieses Rezept stammt aus dem Trescher-Reiseführer BORDEAUX UND BORDELAIS von Heike Bentheimer.
BORDEAUX UND BORDELAIS
Mit Ausflügen ins Médoc, zum Becken von Arcachon und nach Saint-Émilion
1. Auflage 2025
320 Seiten
ISBN 978-3-89794-620-0
18,95 €
Im Trescher Verlag sind weitere Reiseführer zu Zielen in FRANKREICH erschienen.