Westlich vom Mündungstrichter des Jaudy ragt die Halbinsel von Plougrescant nach Norden. Spektakuläre Küsten mit bizarren Felsen und zauberhaften kleinen Buchten, malerische Häuschen und üppig blühende Gärten, charmante Häfen und kleine Kapellen machen eine Rundfahrt äußerst lohnend. Die Küste selbst wird wegen ihres Bewuchses mit Stechginster Côte d’Ajoncs genannt. Auf einer knapp 50 Kilometer langen Rundfahrt kann man per Rad oder Auto von Tréguier aus über die Pointe du Château und den Gouffre bis Port-Blanc fahren. Wanderer folgen einfach dem Zöllnerpfad GR34 in beliebig langen Teilabschnitten.
Gärten
In spektakulärer Lage oberhalb des Jaudy liegt die Domaine von Kestellic. Der Reeder und Abenteurer Aristide Talibard verwandelte sie mit dem Vermögen, das er beim osmanischen Sultan gemacht hatte, von einem kleinen Bauernhof in ein stattliches Herrenhaus. Der Agronom Yann de Kerouartz erwarb 1967 die Domaine und legte einen herrlichen Landschaftsgarten in dem steilen Taleinschnitt an. Dieser wurde inzwischen als »Jardin remarquable« ausgezeichnet. Bis voraussichtlich 2026 ist wegen Sanierung geschlossen.
Bei Plévenan gestaltete Gérard Jean mit Le Pellinec den vielleicht schönsten und abwechslungsreichsten Garten der ganzen Bretagne. Noch dazu in spektakulärer Lage am Meer.
Plougrescant
Das 1150-Einwohner-Dorf Plougrescant ist die nördlichste Gemeinde der Bretagne. Der Ortsname geht entweder auf das keltische Wort grescan für »wachsen« oder das Wort crescan für »gläubig« zurück. Für Letzteres spricht die Kapelle Saint-Gonéry. Sie wurde über dem Grab des heiligen Gonéry errichtet, der im 6. Jahrhundert auf der Flucht vor Angeln und Sachsen aus Wales gekommen war. Der Heilige, der sich im Inneren der Bretagne niedergelassen und dort missioniert hatte, besuchte regelmäßig seine Mutter Eliboubane auf einer Insel vor Plougrescant. Nach seinem Tod machte sich sein Kopf einmal im Jahr auf den Weg zur Île Loaven zum Oratorium seiner Mutter.
Schnell sprach sich das Wunder herum und zog viele Pilger an. Für den stetig wachsenden Pilgerstrom zu klein geworden, wurde die Grabkapelle im 11. Jahrhundert durch einen Neubau ersetzt. Und im 15. Jahrhundert wurde dieser noch einmal deutlich vergrößert.
Dabei wurde das Innere der Kapelle mit Deckenmalereien, die 20 biblische Szenen zeigen, verschönert. In anrührend naiver Weise wurden Szenen wie die Flucht nach Ägypten, Das Abendmahl oder Die Anbetung der Heiligen Drei Könige auf die Holzdecke gemalt. Im Jahr 1599 wurde in der linken Kapelle das Grabmal für den Bischof von Tréguier, Guillaume de Halgouët, errichtet. In der rechten Kapelle steht ein kunstvoll geschnitzter Schrank aus dem 16. Jahrhundert, in dem die Kirchenbücher und liturgische Gewänder aufbewahrt wurden. Des Weiteren gehören eine Alabastermadonna aus dem 16. Jahrhundert sowie Hoch- und Seitenaltar aus dem 18. Jahrhundert zur Innenausstattung.
Ihren sonderbar abknickenden Turmhelm aus Blei erhielt die Chapelle Saint-Gonéry 1612. Da die Basis des hölzernen Dachstuhls nicht stark genug war, begann sich der Glockenturm zu neigen. Er konnte nur noch so stabilisiert werden, dass er nicht einstürzte.
Pointe du Château
Äußerstes Ende der Plougrescant-Halbinsel ist die Pointe du Château, die mit ihren Granitblöcken, Felsnadeln und einem wahren Inselteppich atemberaubende Ausblicke bietet. Am Hafen von Porz Hir schmiegen sich Granithäuser zwischen die Felsen, Kiefern neigen sich kühn in bizarren Formationen und geben Zeugnis vom stetigen Westwind. Geschützt neben der Mole erstreckt sich ein Sandstrand.
Vor der Küste liegt im Mündungstrichter des Jaudy die Île d’Er, eine Gezeitendoppelinsel, die wegen des Vorkommens von silberhaltigem Blei schon in gallorömischer Zeit besiedelt war. Nach den Tankerunglücken der »Torrey Canyon« 1967 und der »Amoco Cadiz« 1978 sowie der »Tanio« 1980 wurden auf der Insel Gruben angelegt, um das angeschwemmte Erdöl aufzunehmen. In drei Gruben wurden fast 1500 Tonnen Öl gelagert, bis die Rückstände 2011 beseitigt wurden. Die Hauptinsel Enez Terc’h ist seither in Privatbesitz, die südwestliche Petite Île ist öffentlich zugänglich und kann bei Ebbe fußläufig erreicht werden.
Am Festland kann man auf dem Zöllnerpfad zur einen Kilometer entfernten Pointe du Château wandern. Noch einen Kilometer weiter westlich erreicht man den sogenannten Schlund oder Le Gouffre, wo es auch einen Parkplatz gibt. Der bretonische Name »An Toull Don« bedeutet so viel wie »tiefe Lücke«. Wohl wegen der Lücke zwischen zwei mächtigen Granitfelsen, die seit 150 Jahren ein Häuschen ausfüllt.
Das pittoreske Castel Meur, so der Name des meistfotografierten Hauses der Bretagne, ist Privatbesitz, der Zugang verboten. Die wild zerklüftete Küste mit ihren spitzen Riffen war einer der Drehorte des Filmes Mathilda – Eine große Liebe, der 2005 in die deutschen Kinos kam.
Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer BRETAGNE von Heike Bentheimer.
BRETAGNE
Côte de Granit Rose, Golf du Morbihan, Belle-Île, Brocéliande, Rennes, Brest, Saint-Malo und Quimper
1. Auflage 2025
444 Seiten
ISBN 978-3-89794-823-5
24,95 €
Im Trescher Verlag sind weitere Reiseführer zu Zielen in FRANKREICH erschienen.