Graubünden

Die Rheinschlucht – Grand Canyon der Schweiz
Ein Bergfluss zwischen schroffen, aufragenden Felsen, am Ufer wachsen Bäime
Die Rheinschlucht (© Johannes Rigg/shutterstock.com)

In Reichenau fließen der Vorder- und der Hinterrhein zusammen. Da der Vorderrhein mit 77 Kilometern etwa 5 Prozent länger ist als der Hinterrhein und beim Zusammenfluss im Jahresmittel auch mehr Wasser führt, gilt er als Quellfluss. Die offizielle Quelle des Rheins liegt in der Nähe des Oberalppasses beim Tomasee. Gleich hinter Reichenau beginnt die 13 Kilometer lange Rheinschlucht (räto­romanisch: Ruinaulta) mit ihren steilen Kalksteinklippen und imposanten Felsformationen, eine der spektakulärsten Gegend der Schweiz. Nur die Bahnstrecke und Fußwege führen durch die Schlucht selbst. Auch Fahrräder sind auf einem großen Teil der Strecke unerwünscht, dafür kann die Schlucht mit Riverrafting oder Kanus eindrücklich erlebt werden. Radfahrerinnen und Radfahrer sind auf die weiter oben verlaufenden Straßen verwiesen. Auf ihnen verkehrt während der Sommersaison ein Bus mit offenem Verdeck auf einem Rundkurs.

Entstehung

Die heutige Rheinschlucht ist das Resultat einer verheerenden prähistorischen Felslawine und der danach folgenden Wühlarbeit des Rheins. Vor rund 9500 Jahren ereignete sich der Flimser Bergsturz. Dabei brachen zwischen dem Flimserstein und dem Piz Grisch über zehn Milliarden Kubikmeter Fels ab und begruben das Vorderrheintal zwischen den heutigen Dörfern Castrisch und Reichenau unter einer mehrere Hundert Meter mächtigen Schuttmasse.

Da der Vorderrhein nicht mehr abfließen konnte, staute sich das Wasser während etwa 100 Jahren zum 29 Kilometer langen Ilanzer See auf, der plötzlich ausbrach und das Rheintal bis zum Bodensee verwüstete. Der Rhein schnitt sich immer tiefer in die Bergsturzmassen ein, so dass sein Bett heute auf ungefähr 620 Metern über Meer liegt.

Durch das Zusammenwirken der Naturkräfte entstand die landschaftlich einzigartige Rheinschlucht mit steilen Kalkstein-Schuttklippen, die langsam, aber stetig immer weiter abgetragen werden. Die steil aufragenden weißen Wände haben dem Gebiet den zu Marketingzwecken eingesetzten Namen »Swiss Grand Canyon« eingetragen.

Flora und Fauna

1977 wurde die Rheinschlucht als eines der ersten Gebiete der Schweiz in das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung aufgenommen. Sie beherbergt gefährdete Lebensräume für eine Vielzahl seltener Tier- und Pflanzenarten. Die Wälder am Rheinufer bestehen hauptsächlich aus Grauerlen.

Zur Landschaft gehören auch offene Kiesbänke und Inseln, welche durch Hochwasser immer wieder neu geformt werden. An den steilen und südexponierten Hängen der Rheinschlucht wachsen die ökologisch wertvollen Erika-Föhrenwälder. In der Schlucht gibt es einen großen Reichtum an Orchideen wie Handwurz, Knabenkraut und der rare Frauenschuh.

Die Rheinschlucht ist auch ein wertvoller Lebensraum für viele Tierarten. So sind in ihr die stark gefährdeten Vogelarten Flussuferläufer und Flussregenpfeifer heimisch. In der Schweiz leben nur noch je 80 bis 120 Paare der beiden Arten. Von April bis Juli brüten die Vögel auf den Kiesbänken am Flussufer und auf den Inseln und ziehen die Jungen auf. Deshalb dürfen die Vogelschutzgebiete in dieser Zeit nicht betreten werden. Außerdem wurden im Gebiet der Rheinschlucht 350 Schmetterlingsarten gezählt, die meisten davon Nachtfalter.

Bahnstrecke und Straßen

Entlang der Rheinschlucht liegen die Dörfer auf beiden Seiten des Flusses erhöht auf den Geröllhalden des ehemaligen Bergsturzes. Auch die Straßen links und rechts des Rheins liegen weit oben. Die Strecke auf der rechten Talflanke zwischen Bonaduz und Versam ist kurven- und aussichtsreich und führt an zwei Aussichtsplattformen vorbei. Dagegen ist die Schnellstraße 19 auf der linken Talseite landschaftlich weniger attraktiv.

Die RhB baute zwischen 1900 und 1903 direkt am Fluss die spektakuläre Bahnstrecke durch die Rheinschlucht. Diese wäre heute aus Umwelt- und Landschaftsschutzgründen nicht mehr bewilligungsfähig, doch wird sie von den Fahrgästen wegen der schönen Aussicht geschätzt. Sie ist einer der Höhepunkte der Fahrt mit dem Glacier-Express zwischen Zermatt und St. Moritz.

Aussichtsplattformen

Wer nicht durch die Schlucht wandern will, kann von sieben Plattformen an ihrem Rand einen Blick hinunterwerfen. Zwei befinden sich auf der linken Seite des Rheins: Crap Sigigna oberhalb von Sagogn und Il Spir – die größte Plattform mit der wohl schönsten Sicht – zwei Kilometer vom Caumasee bei Flims entfernt. Die übrigen fünf liegen auf der rechten Rheinseite: Alix etwa 600 Meter außerhalb des Dorfkerns von Valendas, Islabord unterhalb von Versam, Spitg (sprich Spitsch) und Zault an der Straße zwischen Versam und Bonaduz sowie Wackenau bei der gleichnamigen Burgruine außerhalb von Bonaduz.

Bootstouren

Beliebt sind in den Sommermonaten Wildwasserfahrten mit Kanus, Rafts genannten Schlauchbooten und weiteren Wassergefährten. Bei verschiedenen Anbietern können begleitete Touren gebucht oder bei entsprechendem Können Kanus und weitere Boote gemietet werden. Die Boote werden häufig mit der Bahn zum Ausgangspunkt und vom Endpunkt zurücktransportiert. Einsteigestellen befinden sich in Ilanz, Castrisch und Versam, Aussteigestellen bei Versam und Reichenau.

Cover Trescher-Reiseführer Graubünden 2026

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer GRAUBÜNDEN von Gregor Saladin.

GRAUBÜNDEN

Chur, St. Moritz, Davos, Vorderrheinschlucht und Engadin
Mit vielen Tipps für Wanderungen und Radtouren

1. Auflage 2026
348 Seiten
ISBN 978-3-89794-818-1

19,95 €

 

Im Trescher Verlag sind weitere Reiseführer zu Zielen in der SCHWEIZ erschienen.