Niederösterreich

Nationalpark Thayatal

Enge Flussschleife mit bewaldeten Hängen
Ruhig mäandert die Thaya durch ihr enges Tal (© Michal Balada/shutterstock.com)

Ganz im Norden, an der Grenze zu Tschechien, liegt der länderübergreifende Nationalpark Thayatal. Die Thaya hat sich in zahllosen Mäandern tief in die hier weichen Gesteine eingeschnitten und bietet einer reichen Flora und Fauna Platz. Tiefe Waldungen säumen die steilen Talhänge. Durch die Lage am ehemaligen Eisernen Vorhang blieb das Thayatal bis heute fast unberührt.

Im tschechisch-österrreichischen Grenzgebiet hat sich die Thaya tief in die Landschaft eingeschnitten. Diese beeindruckende Tallandschaft ist auf beiden Seiten als Nationalpark ausgewiesen. Ohne die Lage im Grenzgebiet hätte dieses zauberhafte Tal wohl eine andere Entwicklung genommen. Für die Natur war der Eiserne Vorhang ein Segen, da auf mährischer Seite keine Baumaßnahmen stattfanden, kein Tourismus möglich war und im strukturschwachen Randgebiet Österreichs zur ČSSR ebenfalls kein Bauboom einsetzte.

Vor etwa 20 Millionen Jahren begann sich der alte Grundgebirgsblock der Böhmischen Masse aufgrund der Alpenauffaltung im Süden anzuheben. Dadurch konnte sich die Thaya, deren Verlauf damals in etwa dem heutigen entsprach, von Osten her in die Gesteine einfräsen. Die Mäandrierung ließ ganz unterschiedliche Ausrichtungen der Lebensräume am Fluss entstehen. Das bewirkt, dass hier auf relativ kleinem Raum eine besonders hohe Anzahl verschiedener Pflanzen- und Tierarten zu finden ist.

Das kühle atlantische Klima der Mittelgebirge mischt sich hier mit Resten des trockenen pannonischen Klimas und lässt eine einzigartige Vegetationsvielfalt entstehen. Auf trockenen und sonnenreichen Südhängen wachsen Eiche und Hainbuche, auf den schattigen Nordhängen Buche, Eibe und Ulme. Verschiedene Orchideenarten, Schwertlilie und Diptam gedeihen insbesondere auf den Kalkschichten. Unter anderem Schwarzstorch, Smaragdeidechse, Gottesanbeterin und Uhu repräsentieren die besondere Fauna des Tals.

Staudamm verhindert

Von dem in den 1930er Jahren geplanten Thaya-Großstaudamm wurde nur die erste Stufe bei Vranov verwirklicht, den weiteren Ausbau verhinderte der Krieg. Westlich von Znojmo (Znaim) sollte nach 1984 die dritte Stufe entstehen, doch Bürgerinitiativen und Gespräche auf höchster Ebene stoppten das ökologisch schädliche Projekt. Weil die sogenannte Stauwurzel bis Hardegg gereicht hätte, wäre das ganze Tal wegen der täglichen Wasserstandsschwankungen durch den Beckenausgleich nach und nach in eine Schlammwüste verwandelt worden. Doch auch der täglich zweimal erfolgende Ausgleich des bestehenden Vranover Staubeckens lässt jeweils große Mengen kalten Tiefenwassers in die Thaya strömen. Das lässt den Wasserspiegel innerhalb des Canyons um einen Meter ansteigen und beeinträchtigt das Leben der Tiere im Fluss heute noch.

In Tschechien erkannte man nach dem politischen Umbruch die Einzigartigkeit des Thayatals als schützenswert an und rief im Mai 1991 den Nationalpark Poddyjí (Thayatal) mit 63 Quadratkilometern Fläche ins Leben. Auf österreichischem Gebiet hingegen existierten bis dahin nur zwei Naturschutzgebiete. Doch am 1. Januar 2000 wurde auch in Österreich der 16 Quadratkilometer große Nationalpark Thayatal Wirklichkeit. Damit ist das Thayatal grenzüberschreitend unter Schutz gestellt.

Das Informationszentrum befindet sich südöstlich von Hardegg an der Straße nach Retz. Es präsentiert eine interessante Schau zur geologischen Entwicklung des Tals. Jedes Jahr kommen über 25 000 Besucher hierher; eine Fülle von Veranstaltungen gibt es für Kinder und Erwachsene. An den Wochenenden von Ostern bis Allerheiligen werden Führungen durch die Ausstellung im Nationalparkhaus und durch den Nationalpark selbst angeboten.

Cover Trescher-Reiseführer Niederösterreich

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer NIEDERÖSTERREICH von Gunnar Strunz.

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