Nordmazedonien

Mariovo – Nordmazedoniens wilder Süden

Ein gemauerter alter Hofen neben einem Unterstand
In den Dörfern Mariovos sieht man noch viele alte Öfen (© Pargovski Jove/shutterstock.com)
Mariovo (Мариово) ist die wohl ursprünglichste, sauberste und zugleich rückständigste Gegend Nordmazedoniens. Das weite Areal liegt direkt an der Grenze zu Griechenland zwischen den Städten Bitola, Prilep und Kavadarci und ist nur sehr spärlich besiedelt. Inmitten einer harschen, wild-romantischen Landschaft liegen wenige Dörfer. Teils noch ohne Wasser- und Stromversorgung, sind sie oft nur mit einem geländegängigen Fahrzeug zu erreichen. Die meisten von ihnen sind inzwischen verwunschene Geisterdörfer und dem Verfall preisgegeben. In anderen lebt noch eine Handvoll alter Leute, fernab von jeglicher medizinischen Versorgung und Infrastruktur. Von den 30 000 Bewohnern in den 60er Jahren sind nicht einmal mehr 500 übriggeblieben.

Für Abenteuerlustige kann eine Entdeckungstour per Jeep durch Mariovo zum Höhepunkt einer Nordmazedonienreise werden . Aber Achtung, es gibt dort keine Tankstelle! Es gibt auch keine Restaurants, kein Funknetz und vermutlich kaum jemanden, der etwas anderes als Mazedonisch spricht.

Inzwischen zeichnet sich sehr zaghaft der Trend ab, dass junge Leute aus Bitola und Prilep die Häuser ihrer Ahnen im urigen Mariovo wiederentdecken und als Feriendomizile nutzen. Auch gibt es erste Ansätze, hier einen naturnahen Ökotourismus zu etablieren und einige der verlassenen Häuser unweit von Bitola zu sanieren. Das Etno House Kaj Mostot im Dorf Zovič ist einer der Pioniere auf diesem Gebiet und lädt Gäste zu traditionellen Speisen und Übernachtungen im dörflichen Ambiente.

Irgendwo hier wohnt Itar Pejo, sagt man. Über den mazedonischen Till Eulenspiegel, dessen Bronzeskulptur in Prilep steht, erzählt man sich unzählige Anekdoten. Was es hier noch gibt, sind viele Schafherden und hervorragender Käse, außerdem seltene Insektenarten, zahlreiche Schildkröten. Die sehr malerische und niederschlagsarme Natur verleibt sich rasant die spärlichen Reste der Zivilisation wieder ein.

Von ihrer schönsten Seite zeigt sie sich im Frühling, wenn die sanften Hügel übersät sind mit aromatischen Heilpflanzen und farbenprächtigen Blumen. Dazwischen stehen alte Steinhäuser mit gemauerten Öfen im Garten. Dass sich eine solche Gegend anbietet für alternative Arten von Tourismus auf ökologischer Basis, liegt nahe.

Sehenswertes in Mariovo

Besonders sehenswert ist die von urigen Felsen gesäumte Steinbrücke bei Zovič (Зович), die Milčo Mančevski in seinem Film Dust als wirkungsvolle Kulisse diente. Seit 1955 ersetzt sie eine Holzbrücke der Osmanen und wird inzwischen durch ein Schild ausgewiesen.

Gut fünf Kilometer von Zovič (1,5 Stunden zu Fuß, immer am Fluss entlang) stehen die Reste des einst sehr reichen und großen Klosters Čebren, zu dem am Sankt-Georgstag (5.–6. Mai) jährlich noch immer Dutzende Besucher kommen.

Auch das pittoreske Dorf Štavica (Штавица) nutzte Mančevski als Drehort, diesmal für den Film Before the Rain. Durch den Ort verläuft ein noch immer gut sichtbarer Schützengraben aus dem Ersten Weltkrieg.

Sehenswerte mittelalterliche Kirchen gibt es am Dorfeingang von Gradešnica (Градешница, Sv. Dimitrij, vollständig erhaltene Fresken aus dem 14. und 15. Jahrhundert), beim Dorf Manastir (Манастир, die große Kirche Sv. Nikola von 1266) und in Melnica (Мелница, sehr bunte Fresken, saniert, schöne Lage).

Im Ort Staravina (Старавина) gibt es Reste einer römischen Festung, während der Nachbarort Gradešnica inzwischen fast ausgestorben ist.

Spuren des Weltkriegs

Spuren der Front von Thessaloniki, an der unter General Mackensen auch viele Deutsche kämpften, begegnet man in der wenig berührten Natur Mariovos immer wieder. Häufig in Form von Stahlhelmen, die 1917 die bis dahin üblichen Pickelhauben der deutschen Soldaten abgelöst hatten und inzwischen in Blumentöpfe, Schüsseln oder anderes friedliches Gerät verwandelt wurden.

Der Gipfel Kajmakčalan (2521 m) an der Grenze zu Griechenland war eine der strategischen Schlüsselpositionen der Front. Im September 1916 war er hart umkämpft, bis die Serben die bulgarischen Kontrahenten schließlich in die Niederungen von Mariovo drängen konnten. Eine kleine Kirche auf dem Gipfel erinnert an die große Zahl der Opfer, deren Gebeine und Schädel bis heute dort verwahrt werden.

Auch das Herz des Deutschen Rudolph Archibald Reiss (1875–1929) hatte hier einst, verpackt in Gold, seine letzte Ruhe gefunden. Angeblich wurde es während des Zweiten Weltkriegs jedoch von bulgarischen Soldaten geraubt und ward seither nicht mehr gesehen. Rudolph Reiss, lokal erinnert und gelobt als »Dr. Reiss«, hatte 1916 als Freiwilliger in der serbischen Armee gekämpft und Frontberichte in die Heimat geschickt.

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