Wer ins Piemont reist, wird womöglich überfordert sein angesichts der Vielfalt der regionalen Produkte. So hatte früher fast jedes Alpendorf seine eigene Käsesorte, die nur dort gegessen wurde. Eine Tradition, die sich an vielen Orten bis heute erhalten hat. Und auch bei den Würsten, egal ob frisch oder getrocknet, hat jede Region ihre eigene Variante. Hinzu kommen Pastavariationen, diverse Reisgerichte, köstliche Desserts und und und. Natürlich hat die norditalienische Region auch einige Klassiker hervorgebracht, die längst ihren Siegeszug über die Landesgrenzen hinaus angetreten haben, zum Beispiel Grissini, Tramezzini und Vitello tonnato.
Grissini
Wer kennt sie nicht, die dünnen, langen Brotstangen, die in jedem italienischen Restaurant in Plastik verpackt auf dem Tisch stehen. Viel weniger bekannt ist jedoch, dass der grissino sich vom piemontesischen Wort ghërsin oder grersin ableitet und von Hofbäcker Antonio Brunero 1679 erstmals in Turin hergestellt wurde. Mit der Trockennahrung sollte der künftige König Vittorio Amedeo II., der Verdauungsprobleme hatte, auf Anweisung seines Arztes aufgepäppelt werden.
Gute 100 Jahre später begeisterte sich Napoleon so sehr für die lange haltbaren Stangen, dass er sich les petits bâtons de Turin nach Paris liefern ließ. Schon seit dem 18. Jahrhundert werden Grissini maschinell hergestellt. Im Piemont rollt sie der Bäcker – oder der Bäckersgehilfe – jedoch häufig noch mit der Hand.
Auch ansonsten zeichnet sich das Piemont im Unterschied zu anderen italienischen Regionen durch eine Vielfalt an Backwaren aus. Dazu gehören die Fladenbrote focaccia und lingue sowie Brote mit Haselnüssen oder Schweineschmalz. Auch verwenden die Bäcker nicht nur Weizen-, sondern auch Buchweizen-, Dinkel- oder Kamutmehl, vieles in Bioqualität. Hinzu kommt eine große Zahl an Brötchen aus Sauerteig, wie zum Beispiel in der Provinz Cuneo die dreieckigen Tupunin oder das baguetteförmige Campagnola Buschese.
Tramezzini
Als zu Zeiten der Herrschaft Mussolinis englische Begriffe durch italienische ersetzt werden sollten, begann der rechtsgerichtete Schriftsteller Gabriele D’Annunzio, das Sandwich tramezzino zu nennen. Darin verstecken sich die Worte tra (zwischen) und mezzo (Hälfte), es handelt sich also um einen Imbiss zwischen Frühstück und Mittagessen in der Hälfte des Tages.
Die ersten Sandwiches im Piemont fertigten zwei aus den USA heimgekehrte Turiner, die diese ab 1925 im Caffè Mulassano auf der Piazza Castello anboten. 1936 veröffentlichte die Zeitung La Cucina Italiana dann eine ganze Seite über die »Kunst, Tramezzini herzustellen«. Bei Mulassano gibt es heute rund 30 verschiedene Sorten, in ganz Piemont werden sie im Miniformat gerne zum Aperitivo serviert.
Vitello tonnato
Kalbfleisch mit Thunfischsauce ist in Italien eine so beliebte Vorspeise, dass es kein Wunder ist, dass gleich mehrere Regionen – wie etwa die Lombardei – erklären, diese erfunden zu haben. Für das Piemont spricht, dass es in den ersten Rezepten aus dem 18. Jahrhundert »Vitel Tonnè« genannt wurde. Tonnè ist ein Begriff aus dem Piemontesischen, dessen genaue Bedeutung nicht ganz geklärt ist. Es heißt wohl so viel wie »mariniert« oder »gebräunt«.
Denn Thunfisch war damals in der Alpenregion gar nicht bekannt. Vielmehr wurden die Reste des sonntäglichen »braunen« Kalbsbratens mit einer Sauce aus Sardellen und Kapern bedeckt. Erst 1891 beschrieb der Begründer der italienischen Nationalküche, Pellegrino Artusi, die Verwendung von tonno, Thunfisch, für die Sauce des vitello.
Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer PIEMONT von Sabine Herre.
PIEMONT
Turin, Westalpen, Alba, Asti, Barolo, Barbaresco und Lago Maggiore
Mit Ausflug ins Aostatal
1. Auflage 2026
360 Seiten
ISBN 978-3-89794-815-0
19,95 €
Im Trescher Verlag erscheinen weitere Reiseführer zu Zielen in ITALIEN.





