Riesengebirge

Von Rübezahls Zahn­stocher zum Fleischer­beil

Felsenstadt Adersbach, Tschechien
Welche Figuren erkennen Sie hier? (© Karel Stipek/shutterstock.com)

Die beiden Felsenstädte beim tschechischen Adršpach (Adersbach) und Teplice nad Metují (Wekelsdorf) mit ihren skurrilen Felsfiguren, Schluchten, Labyrinthen und Treppen sind ein Mekka (nicht nur) für Kletterfreunde. Die haushohen Sandsteingebilde tragen Namen wie »Omas Lehnstuhl«, »Rübezahls Zahnstocher« oder »Bürgermeister und Bürgermeisterin«. Seit 1933 stehen sie unter Naturschutz und gehören zur sogenannten Broumovská vrchovina (Braunauer Anhöhe), einer Hügellandschaft zwischen Riesengebirge und den Orlické hory (Adlergebirge).

Die bizarren, haushohen Sandsteingebilde beim tschechischen Adršpach (Adersbach) tragen Namen wie »Omas Lehnstuhl«, »Rübezahls Zahnstocher« oder »Bürgermeister und Bürgermeisterin«. »Das Ganze sieht einem Tollhause der Natur nicht unähnlich und macht einen so sonderbaren Eindruck, dass man sich beim ersten Anblick schwerlich des lauten Auflachens erwehren kann«, schrieb 1809 der Kapellmeister und Musikschriftsteller Johann Friedrich Reichardt.

Entstanden sind die Felsen vor Millionen von Jahren aus Sandmassen, die sich auf dem Grund eines seichten Meeres ab­lagerten. Der Sand verfestigte sich zum Steinblock, wurde unter Druck hoch­gehoben und zerbarst. Er war der Erosion durch Wasser, Sonne und Luft ausgesetzt. Bis ins 19. Jahrhundert hin­ein galt das Gebiet als düster-geheimnisvoll und undurchdringlich. In den feuchten Schluchten wachsen seltene Torfmoorpflanzen und die sogenannte Adršpašská borovice (Adersbacher Kiefer). Für Schwarzstorch, Bussard, Sperber und Uhu bieten die Felstürme und zerklüfteten Wände Nistplätze. Auch Dachse haben hier ihre Heimat. Seitdem 1923 Bergsteiger aus Dresden die Sandsteinfelsen für sich entdeckten, sind die beiden Felsenstädte, ähnlich wie die Sächsische Schweiz, zum internationalen Klettermekka geworden.

Ein Ausflug hierher ist unbedingt zu empfehlen. Vor allem Kinder kommen bei den phantastischen Felsgebilden mit den ulkigen Namen voll auf ihre Kosten. Verbinden lässt sich die Tour mit einem (Einkaufs-)Bummel durch die alte Stadt Trutnov. Von hier ist es nur noch eine halbe Autostunde nach Adršpach. Man verlässt Trutnov auf der Landstraße 14 in Richtung Náchod und biegt nach wenigen Kilometern, im Ort Poříčí, wie ausgeschildert nach links in ein Seitental ab. Im Dorf Chvaleč zweigt wiederum nach links eine Straße ab, die über Serpentinen hinauf nach Adršpach führt. Dort türmen sich rechts schon bald die ersten hohen Felsen auf. Am Nordrand des Felsgebietes ist die Ruine der Burg Adersbach zu sehen. Die Burg entstand Mitte des 13. Jahrhunderts und wurde – nachdem sich Raubritter hier eingenistet hatten – 1447 zerstört. Heute sind nur noch die Grundmauern und ein Felsenkeller übrig.

Felsenstadt Adersbach, Tschechien
Spaziergang in der Felsenstadt Adršpach (© Karel Stipek/shutterstock.com)

Tour durch die Felsen von Adršpach

Am Ende von Adřspach liegt links ein großer bewachter Parkplatz. Etwas weiter unten, hinter dem Bahnübergang, befindet sich der Eingang zur Felsenstadt Adršpašské skály mit Kasse, Wanderkarten- und Souvenirverkauf. Auf der Rückseite der Eintrittskarte ist die Route mit den (tschechischen) Namen der schönsten Figuren aufgedruckt. Die Wanderung dauert zwei bis drei Stunden. Führer bieten ihre Dienste an.

Der Weg ist grün markiert und führt vorbei am Indianer, dem Zuckerhut und vielen anderen Felsgebilden zum Elefantenplatz. Man schiebt sich durch die enge Felsengasse und überquert die Teufelsbrücke. Dann zweigt der Weg nach rechts ab hinauf zur Madonna und zum Kleinen Wasserfall an einer Rasthütte. Von dort steigt man nun auf der gelben Markierung aufwärts. Kurz vor einer weiteren Rasthütte rauscht links der Große Wasserfall. Dort erinnert eine Gedenktafel an Goethe, der 1790 beide Felsenstädte besucht hat. An der Rasthütte führen steile, enge Stufen hinauf zum Felsensee mit Bootsanlegestelle. Ein Fährmann stakt hier die Besucher auf einer Holzbarke auf dem kleinen, ruhigen See entlang. Am anderen Ufer steigt man aus und gelangt über einige Stufen wieder zum gelb markierten Weg. Links geht es zur Wolfsschlucht und weiter in die Felsenstadt von Teplice nad Metují, rechts erreicht man wieder die grüne Markierung. Dort sind einige der bekanntesten Felsen zu sehen: das »Krokodil«, das »Liebespaar«, der »Schornstein der Zuckerfabrik«, der »Bürgermeister« und »Rübezahls Klavier«. Bald ist der Ausgangspunkt erreicht.

Die Felsenstadt von Teplice nad Metují

Der Eingang zur Felsenstadt von Teplice nad Metují, Teplické skalní město, liegt zwischen Adřspach und Teplice am Hotel Orlik, an dem es auch einen Parkplatz gibt. Diese Felsenstadt ist noch größer und weitläufiger als die von Adřspach. Man folgt der blauen Markierung zur Ozvůna (Echo). Kurz hinter dem Nosorožek (Nashorn) führt ein kleiner steiler Pfad zur 200 Meter entfernten Raubritterburgruine Střmen mit guter Aussicht über die Felsenstadt, die Broumovská vrchovina (Braunauer Anhöhe) und bis zur Schneekoppe. Einige der bekanntesten Gebilde hier sind die »Lebkuchenfrau«, das »Fleischerbeil«, der »Knieende Mönch«, »Rübezahls Zahnstocher« und der »Igel auf dem Frosch«. Vom Annatal führen Stufen in die Unterwelt, eine tiefe, lange, kalte Schlucht, auch »Sibirien« genannt. Dort liegt manchmal noch im Juni Schnee. Von hier führt die blaue Markierung zurück zum Parkplatz am Hotel Orlik. Vier Stunden sollten für die Tour eingeplant werden.

Beide Felsenstädte lassen sich an einem Tag besichtigen. Man kann sie auch vom Flugzeug aus bewundern: In der nahegelegenen Kleinstadt Broumov, die mit ihrem Kloster und den schönen Barockhäusern am Markt selbst einen Besuch wert ist, gibt es einen Flugplatz. Von dort startet ein Doppeldecker zu Rundflügen.

Für den Besuch der beiden Felsenstädte empfehlen sich nicht die Sonn- oder Feiertage, dann ist – jedenfalls bei schönem Wetter – der Andrang an Parkplatz, Imbissständen und Kasse beträchtlich. Wer es sich leisten kann, sollte mehr als einen Tag Zeit mitbringen und eine Übernachtung einlegen.

Cover Reiseführer Riesengebirge

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer RIESENGEBIRGE von Frank Schüttig.

RIESENGEBIRGE

Rübezahls Reich an der Schneekoppe
Mit Hirschberger Tal, Kammwanderung und Isergebirge Wander- und Wintersporttipps

9., aktualisierte Auflage 2022
236 Seiten
ISBN 978-3-89794-605-7

14,95 €

 

Im Trescher Verlag sind zahlreiche weitere Reiseführer zu Zielen in OSTEUROPA erschienen.