Spreewald

Störche im Spreewald

Ein Weißstorch stakst über eine Blumenwiese
Kleingetier, aufgepasst! (© Durzan Cirano/shutterstock.com)

Schon seit Menschengedenken ist der Storch ein Symbol für Glück und Treue. Wenn die eleganten Segler nach dem Winter in ihre Nester heimkehren, ist der lang erwartete Frühling da. Und in manchen Regionen Europas wird die Ankunft des »Klapperstorchs« mit einer freudigen Botschaft verknüpft: Ein Kind wurde geboren.

Im Spreewald sind besonders viele Weißstörche (lat. Ciconia ciconia) beheimatet. Sie sind ausgewachsen rund einem Meter hoch, bis zu viereinhalb Kilo schwer, der Schnabel misst maximal 19 Zentimeter, und die Flügelspanne beträgt bis zu zwei Meter. Störche können wahrhaftig klappern, aber auch fauchen. In vielen Dörfern – so in Burg, Dissen, Leibsch, Fehrow, Lübben und Lübbenau – sind die großen Nester auf Dachfirsten oder auf speziellen Nisthilfen zu sehen.

Leider besagt eine Langzeitstudie, dass die Storchenpopulation auch in der Niederlausitz und damit im Spreewald seit etwa 1996 um 14 Prozent zurückgegangen ist. Seit den 1930er Jahren hat sich deren Bestand deutschlandweit sogar halbiert. Gab es noch in den 1970er Jahren in der näheren und weiteren Umgebung des Spreewaldes neun Störchendörfer mit mindestens fünf Brutpaaren, so sind es heute noch fünf Orte, die sich mit dem Beinamen Storchendorf schmücken dürfen. Für diese Entwicklung werden mehrere Ursachen verantwortlich gemacht. Aber vor allem die intensive Bewirtschaftung der Landschaft und der Einsatz von Chemikalien führen dazu, dass die Störche immer weniger Kleintiere finden. Wenn aber ihre Hauptnahrung zur Mangelware wird, bleiben sie aus und suchen sich andere Plätze zur Aufzucht ihrer Jungen.

Bedrohter Schwarzstorch

In den Kernzonen des Spreewaldes, zumeist im Totalreservat, lebte bis vor Kurzem noch ein stiller, fast unsichtbarer Gast: Der Schwarzstorch (lat. Ciconia nigra) brütet im Unterschied zu seinen weißen Verwandten auf alten Bäumen und scheut den Menschen. Schwarzstörche sind äußerst selten geworden – 2018 gab es nur noch ein Brutpaar, und seit 2019 sind die hiesigen Schwarzstörche nicht mehr gesichtet worden. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich der Fischbestand im Spreewald verringert hat und von unvernünftigen Beobachtern der in der Biosphärenreservatsverordnung geforderte Mindestabstand zum Horst von 300 Metern oft nicht eingehalten wurde.

Eine Arbeitsgruppe der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Dahme-Spreewald hat einen Maßnahmekatalog für die Wiederbesiedelung konzipiert. So sollen mehr periodische Überflutungen erfolgen, um Spreewaldaue, Feuchtwiesen und andere Vernässungsflächen wieder als Lebensräume des Schwarzstorches zu gestalten. Es sollen fischreiche Teichgebiete erhalten bleiben und flache Gräben als neue Nahrungsquellen entstehen. Zudem müsste die Kernzone des Biosphärenreservats mit einem Betretungs- und Fahrverbot langfristig auf etwa zehn Prozent erweitert werden. 

Drei Weißstörche in einem Nest
Storchenfamilie im Spreewald (© Kerstin Micklitza)

Die ersten Störche kommen zumeist in der letzten Märzwoche in den Spreewald, die letzten folgen bis in die erste Aprilhälfte. Zuerst trifft das Männchen ein und bewohnt den Horst des Vorjahres oder beginnt mit dem Bau eines neuen. Nach einer Woche trifft das Weibchen ein. Nun folgen Werbung der Horstbesitzer, Paarungsrituale sowie bald die erste Begattung. Von beiden Vögeln wird das Nest ausgebessert, aufgestockt und neu ausgepolstert. In den nächsten Tagen kommt es mehrmals zur Paarung, und bald liegt das erste Ei im Nest.

Die Brutdauer beträgt 32 Tage. Um eine typische fünfköpfige Storchenfamilie – zwei Altvögel, drei Junge – für einen Tag satt zu bekommen, müssen fünf Kilogramm kleines Getier herangeschafft werden: Insekten, Regenwürmer, Mäuse und Frösche. Man weiß aus Beobachtungen, dass ein Storch beispielsweise innerhalb von 60 Minuten 44 Mäuse, zwei junge Hamster und einen Frosch sammelte, ein anderer in einer Minute 30 Grillen. Bei einer Untersuchung fand man im Magen eines Weibchens 1315 Feldheuschrecken.

Auf in den Süden!

Störche sind begnadete Segler, ähnlich wie die Seeadler. Sie nutzen geschickt die Aufwinde und kreisen gern in der Gruppe. Da über Wasserflächen keine Thermik entsteht, umfliegen die Störche auf ihrem Weg in die Winterquartiere das Mittelmeer. Eine Zugscheide trennt dabei Ost- und Westzieher. Sie verläuft von den Niederlanden mitten durch Deutschland über den Harz bis zu den Alpen. Diese Zugrichtung ist den Tieren angeboren. Die Route der Westzieher verläuft von Deutschland über Südspanien und Nordafrika nach Süden.

Die Spreewaldstörche gehören zur Gruppe der Oststörche. Sie ziehen über Osteuropa in die Türkei, fliegen über den Bosporus in den Libanon und nach Israel und gelangen zur Sinai-Halbinsel. Über den Golf von Suez erreichen sie Ägypten. Weiter nach Süden halten sie sich an den Nilverlauf. In den Savannen und Halbwüsten des Sudan legen sie eine Rast ein, um sich Energiereserven für den Weiterflug anzufressen. So erreichen die Störche aus dem Spreewald nach etwa 8 bis 15 Wochen Flugzeit und rund 10 000 Kilometern Flugstrecke ihre Winterquartiere südlich der Sahara. Die flügge gewordenen Jungstörche ziehen noch vor ihren Eltern in den warmen Süden. Sie sammeln sich in Gruppen, manchmal unter Führung eines Junggesellen – ein Storch, der keinen Partner gefunden hat. Wie die Jungvögel ihren Weg auch allein finden, ist erstaunlich.

Wer mehr über den Weißstorch und seine saisonale Spreewaldheimat erfahren möchte, kann sich im Weißstorchzentrum in Vetschau und in einer Storchenausstellung im Dorf Dissen nahe Cottbus informieren.

Trescher-Reiseführer Spreewald

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer SPREEWALD von André Micklitza.

SPREEWALD

Zwischen Burg, Lübbenau, Lübben und Schlepzip
Mit Ausflügen nach Cottbus und Bad Muskau

7., aktualisierte und erweiterte Auflage 2023
196 Seiten
ISBN 978-3-89794-642-2

12,95 Euro

 

Im Trescher Verlag sind zahlreiche weitere Reiseführer zu Zielen in DEUTSCHLAND erschienen.