Tadschikistan

Die Küche Tadschikistans

Ein überdachter Basar mit gut sortierten Ständen
Auf den Basaren, wie hier in Duschanbe, türmen sich Obst, Gemüse, Gewürze, Trockenfrüchte (© Dagmar Schreiber)

Wer auf einer Tadschikistan-Reise nur in Straßencafés logiert, bekommt eine einseitige Vorstellung von der kulinarischen Kultur des Landes – wenn auch meist in guter Qualität. Die Konstanten, die Reisende im ganzen Land offeriert bekommen, sind shurbo (Fleischbrühe mit Kartoffel, Möhre und natürlich Fleisch), Lagman (handgemachte lange Nudeln mit Fleisch, Kräutern, Gewürzen und Brühe) und Palov, oft ergänzt um sihkabob (Schaschlik) und die russischen Pelmeni.

Um einen richtigen Eindruck von der Vielfalt und Güte des tadschikischen Essens zu bekommen, muss man zu den Menschen nach Hause, auf den Tapchan (Podest zum Sitzen und Schlafen für drinnen und draußen), an den dastarkhon (Tischtuch). Worauf man sich verlassen kann: Slow Food ist buchstäblich in aller Munde. Nicht aus Rückbesinnung wie in bestimmten Kreisen in Europa, sondern aus Tradition.

Verwendet wird, zumindest auf den Dörfern, was vor der Haustür wächst: Kartoffeln, Getreide, Gemüse vom eigenen Feld, Honig und getrocknete Aprikosen vom Hof, Wein vom Spalier, Granatäpfel und Nüsse von den Bäumen im Garten, Milch von glücklichen Ziegen, Kühen oder Yaks, Fleisch von freilaufenden Hühnern, Schafen, Ziegen, Rindern.

Wegen der starken klimatischen Unterschiede wird auf den Hochebenen des Pamir natürlich anders gekocht als in den schroffen Gebirgstälern und ganz anders als unten in den fruchtbaren Ebenen, wo in den Gärten und auf den Basaren alle Herrlichkeiten des Morgenlandes zu haben sind.

Die Küche der viehzüchtenden Halbnomaden

Manchmal wird behauptet, man äße in Tadschikistan extrem viel Fleisch. Doch nur oben auf dem Pamir bei den kirgisischen Viehzüchtern, wo weder Getreide noch Kartoffeln und schon gar kein Obst und Gemüse wachsen, dominieren tierische Mahlzeiten. Wer die Kirgisen auf ihren Sommerweiden besucht, wird die Gelegenheit haben, Butter und Ayran aus Yak-Milch zu probieren. Die genügsamen Yaks halten es gut hier oben aus. Man kann alles von ihnen verwenden, auch den Dung, zum Heizen. Als Gast wird man mit frischem Ziegenfleisch bewirtet und vielleicht auch mit Wild, aber darüber redet man nicht, weil es fast nie legal geschossen wurde.

Immer auf dem Tischtuch liegt qurut, gesalzene, luftgetrocknete Frischkäsebällchen mit einem Durchmesser von einem bis fünf Zentimetern. Sie sind sehr lange haltbar und werden oft im Winter als Energie- und Kalziumspender eingesetzt, wenn die Tiere nur wenig oder gar keine Milch geben. Man löst sie in heißer Brühe auf und hat eine sämige, sattmachende Suppe. Zum Fleisch gibt es Fladenbrot, Nudeln oder Reis. Gewürzt wird mit Salz und Zwiebeln. Vegetarier können immerhin auf Milchprodukte und Fladenbrot zurückgreifen, aber Veganer sollten sich von daheim oder vom Basar in Khorugh ein paar Snacks mitbringen.

Gesunde Hochgebirgsdiät

In den etwas tiefer gelegenen Tälern, wo die Menschen den Bergen schmale Terrassenfelder abgerungen haben, die sie sorgsam gegen ihre wenigen Nutztiere abzäunen, ist der Speiseplan ein ganz anderer. Die steinige Erde wird hier noch mit dem Ochsenpflug bearbeitet, und mit viel Fleiß und Bewässerung bekommt man etwas Getreide, Kartoffeln, Karotten, Kohl und Zwiebeln groß, unter Umständen auch Tomaten, Gurken, Kürbisse und Gewürze. In windgeschützten Lagen wachsen auch Aprikosen, Äpfel, Pflaumen, Walnüsse und Granatapfelbäumchen.

Was es hier immer gibt, ist shirchoy: ein schwarzer oder grüner Tee mit Milch von der meist einzigen Kuh oder der des Nachbarn, leicht gesalzen, darin das Fladenbrot aufgeweicht. Gebacken wird nur einmal alle paar Tage, denn Brennstoff ist knapp. Zwei Tage nach dem Backen ist das Brot knochenhart und wird dann zum shirchoy gereicht. Erst wenn es aufgebraucht ist, wird neues gebacken. Selten wird man zum Milchtee eingeladen, offenbar schämen sich die Menschen vor Gästen für ihr ärmliches Gericht.

Für Gäste werden großartige Gemüseeintöpfe gezaubert, manchmal mit etwas Fleisch dazu. Doch wenn man darauf besteht, darf man mit den Gastgebern den shirchoy teilen. Manchmal gibt es dazu etwas Ayran, getrocknete Aprikosen, Walnüsse oder Honig.

Auch zu qurutob kann das Fladenbrot verarbeitet werden, wenn man Tomaten, Gurken und Zwiebeln hat. Dazu werden die Quarkbällchen qurut in Wasser (ob) aufgelöst, über das Fladenbrot gegeben und mit dem kleingeschnittenen Gemüse und etwas Öl gereicht.

UNESCO-Welterbe Fladenbrot

Das Backen und Teilen des Fladenbrotes ist seit 2018 Bestandteil der Liste des Immateriellen UNESCO-Welterbes, und das zu Recht! Backen fast ohne Brennstoff ist eine Kunst. Der traditionelle Lehmofen tandyr wird behutsam mit Dung oder wenig Holz angeheizt, die runden Teigfladen dicht an dicht an die Innenwände geklebt und nach wenigen Minuten vorsichtig herausgeholt. Sie müssen luftig aufbewahrt werden, damit sie nicht verschimmeln.

Ein Fladenbrot wird vom Hausherrn persönlich feierlich in die Hand genommen und mit Bedacht in möglichst gleiche Teile gerissen beziehungsweise gebrochen, nicht geschnitten! Die Stücke werden vor die Gäste gelegt oder jenen in die Hand gegeben. Brot ist heilig, es wird nicht und darf nicht herunterfallen. Brot wegzuwerfen, ist eine Sünde.

Die Speisen der Ebene

Auf den bewässerten Flächen im Tiefland wächst alles, was das Herz begehrt, von Reis, Mais und Weizen über Hülsenfrüchte, Kürbisse, Rettiche, Rüben und Kartoffeln, Tomaten, Gurken, Paprika, Zucchini, Auberginen, Melonen bis hin zu allen Früchten des Orients. Pfirsiche, Aprikosen, Granatäpfel, Khakis, Wein und sogar Zitronen türmen sich auf den Basaren. Koriander, Schwarz- und Kreuzkümmel, Oregano, Safran, Chili und Sumach duften um die Wette. Trockenfrüchte und Nüsse sind die besten der Welt.

Aus all diesen Zutaten werden köstliche Gerichte gezaubert. Fleisch wird raffiniert mariniert, bevor es als kabob gebraten wird, es wird nicht mit Gemüse und Gewürzen gegeizt – ein Schlaraffenland auch für Vegetarier und Veganer.

Die Milchprodukte sind ebenfalls vielfältiger, weil im Tiefland auch Kühe weiden. Es gibt chaka, einen sehr sauren, sämigen Quark, und qaymok, eine Art Schmand.

Palov und Tee

Das Lieblingsgericht fast aller Menschen in Zentralasien ist Plow. In Tadschikistan heißt er Palov, aber alle nennen ihn osh, »das Essen«. Auf den ersten Blick besteht er nur aus Reis, Fleisch und Karotten, aber der Schein trügt. Eine ausgeklügelte Zubereitungsmethode, Hunderte verschiedene Zutatenvarianten und Tausende Würzungsarten machen ihn immer wieder zum überraschenden Erlebnis. In Tadschikistan gewesen zu sein, ohne Palov gegessen zu haben, ist eine Unterlassungssünde.

Allerdings birgt das Gericht ein Risiko: Es ist meistens relativ fettig, und westliche Mägen reagieren bisweilen empfindlich darauf, vor allem, wenn Baumwollsamen-Öl zur Anwendung gekommen ist. Wer ohne Rache von Magen, Darm oder Galle vom dastarkhon aufstehen will, sollte nicht mit Kaltgetränken nachspülen. Keine Cola und schon gar kein Bier! Nicht von ungefähr trinken die Einheimischen zwei, drei Schälchen grünen Tee zum Palov.

Apropos Tee. Die Redewendung »Abwarten und Tee trinken« könnte aus Tadschikistan stammen. Egal, ob es draußen heiß oder kalt ist, man trinkt ihn nach jeder Mahlzeit, oft und überall, zu Hause im Sommer auf dem Tapchan, unterwegs in der choykhona (Teehaus). Oft grün, manchmal schwarz, bisweilen mit Zitrone. Vor dem Einschenken muss der Tee ziehen – dafür wird dreimal ein Schlückchen in eine Schale geschenkt und wieder in die Kanne zurückgegossen. In den meisten Regionen wird die Teeschale, piyola, vom Gastgeber nicht ganz vollgemacht. Man nennt das ba hurmat, »mit Aufmerksamkeit gegenüber dem Gast«. Es muss zwar häufiger nachgeschenkt werden, aber der Tee kühlt so schneller ab.

Nur auf einen Tee?

Oft wird man spontan zum Tee eingeladen. Man darf das freundlich ausschlagen, wenn man keine Zeit hat. Wiederholt der Einlader seinen Aufruf ein zweites oder gar drittes Mal, ist es wirklich ernst gemeint. Nimmt man die Einladung an, muss man wissen, dass es nicht beim Tee bleibt. Oft folgt ein kleines oder gar großes Menü, mit allem, was der Haushalt hergibt. Die Gastgeber freuen sich über ein geselliges Zusammensitzen und Gespräch und werden enttäuscht sein, wenn die Gäste nach fünf Minuten wieder aufspringen. Tee trinken bedeutet Zeit füreinander haben.

Egal, wo man zu Gast ist: Man sollte nicht davon ausgehen, dass das, was man als Besucher auf dem Tisch vorfindet, eine Alltagsmahlzeit ist. Für Gäste wird das Beste aufgefahren, und das in großen Mengen. Ist die Familie unter sich, kehrt wieder Normalität ein: kleine Mengen Fleisch in Shurbo und Palov, Shirchoy mit altbackenem Brot statt Sahne und frischen Fladen.

Als Gast sollte man wissen, dass man oft der Grund für das Schlachten eines Tieres ist, im Pamir kann es das einzige sein. Deswegen ist es für die Gastgeber auch oft ein Schock, wenn Fleisch nicht gegessen oder nur lustlos vom Knochen abgenagt wird. Essen wegzuschmeißen ist eine Sünde, und unser leichtsinniger Umgang mit Essen wird verständnislos, wenn auch mit bemühter Toleranz wahrgenommen.

Cover Trescher-Reiseführer Tadschikistan 2025

Dieser Auszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer TADSCHIKISTAN von Dagmar Schreiber.

TADSCHIKISTAN

Mit Duschanbe, Pamir und Fan-Gebirge

4., vollständig überarbeitete Auflage 2025
468 Seiten
ISBN 978-3-89794-674-3

24,95 €

 

 

Im Trescher Verlag sind zahlreiche weitere Reiseführer zu Zielen in ZENTRALASIEN erschienen.