Istrien und Kvarner Bucht

Kažun, gromače, mergari – traditionelle Steinbauten in Istrien

Ein Kažun, eine runde Steinhütte mit Spitzdach, steht auf einer Wiese
Kažuni bieten Schutz während langer Arbeitstage auf den Feldern (© Matthias Jacob)

In Istrien zeugen zahlreiche eindrucksvolle Bauwerke von der bewegten Geschichte der Region: römische Tempel, Kirchen aus verschiedenen Epochen sowie Bauten der k.u.k. Monarchie, des Jugendstils und der Moderne. Aber auch Seitenblicke am Wegesrand lohnen sich: Kunstfertig aufgeschichtete Steinmauern, runde Schutzhütten mit Spitzdach und einfache Wasserspeicher werden seit Urzeiten nach denselben Prinzipien gebaut. Angepasst an die natürlichen Gegebenheiten, leisten sie seit jeher gute Dienste und überdauern die Jahrhunderte.

Der kažun (von italienisch casita für »Hütte«) ist eine runde oder eckige Schutzhütte aus Feldsteinen. Sie werden ohne Mörtel in Trockenmauertechnik aufeinandergeschichtet und enden mit einem Kraggewölbe in einem kegelförmigen Dach. Den Bauern dienten sie als Schutz vor Sonne oder Regen und zur Aufbewahrung von Werkzeugen. Gleichzeitig konnten von ihnen aus die Felder, Weingärten und Weiden überwacht werden. Deshalb hatten manche Hütten in den Wänden kleine Öffnungen.

Wie die Tholos-Bauten anderer Mittelmeerländer stellen die kažuni eine sehr archaische Bauweise dar, die weit in prähistorische Zeiten zurückreicht. Meist sind sie fensterlos; um Steine zu sparen, wurden sie oft in Mauern der Feldbegrenzungen eingebaut. Bisweilen finden sich innen Nischen als Ablagemöglichkeit, größere Steinblöcke dienten als Sitzplätze. Die Eingänge sind meist sehr niedrig und schauen nach Süden oder Westen, damit der heftige Nordwind nicht eindringen kann. Manche kažuni hatten Feuerstellen. Der Rauch konnte durch die oberste, verschiebbare Dachplatte entweichen oder durch den pičnuk, den abnehmbaren kegelförmigen Abschluss des Dachs.

Über 1000 solcher Schutzhütten wurden in Istrien gebaut, viele von ihnen noch im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Besonders viele kažuni finden sich im südlichen und westlichen Teil Istriens. Im Süden sind sie vorwiegend rund, im Norden und in Zentralistrien oft eckig. Nachbauten finden sich heute auch in Privatgärten. Miniaturmodelle werden in Souvenirläden angeboten.

Eine alte Steinmauer begrenzt eine Wiese in Istrien
Durchaus kunstvoll: Steinmäuerchen in Istrien (© Dominik_Spalek/shutterstock.com)

Bewährt seit uralten Zeiten: Trockenmauern

In Istrien und besonders auf den Kvarner Inseln Krk, Cres und Lošinj sieht man oft auch kilometerlange Trockenmauern (gromače) aus unbehauenen Steinen, die ohne Bindemittel aufeinandergeschichtet wurden. Sie dienten als Weidegrenzen. Schon in der Prähistorie wurden solche Lesesteinmauern errichtet. In den oft mannshohen Mauern wechseln kunstvoll zusammengefügt Flachsteine, schwerere Blöcke und kleine Steine. Um zu verhindern, dass sich Schafe auf andere Parzellen verirren, sind die Mauern nur von kleinen Öffnungen unterbrochen, die mit Holztoren oder größeren Steinen verschlossen werden.

Pferche (mergari oder mrgari), mit Trockenmauern umgebene Teile einer Parzelle, befinden sich gewöhnlich in der Ecke einer Weide. Dort wurden die Schafe hineingetrieben, um sie zu scheren, zu zählen oder um sie mit Zeichen zu versehen, aber vor allem, um sie zu melken: Das kroatische mergari leitet sich vom lateinischen mulgarium (»Stelle zum Melken«) ab.

Da es auf den meisten Kvarner Inseln kaum Süßwasser gibt, wurden natürliche Vertiefungen im Karstboden zu künstlichen Wasserspeichern (lokve) umgebaut. Dazu machte man die Böden der Tümpel mit Lehmboden wasserundurchlässig und umgab die Mulden mit Trockenmauern.

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Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer ISTRIEN UND KVARNER BUCHT von Matthias Jacob.

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