Nepal ist wohl das Land auf unserem Planeten, das jeder sofort mit Bergsteigen und Trekking in Verbindung bringt. In der Tat ist es das Paradies schlechthin für diese Betätigungen. Kaum ein anderes Land der Welt verfügt über einen solchen Naturreichtum. Hier sind alle Klimazonen unserer Erde vertreten, von den tropischen Gebieten im Tiefland bis in die arktische Kälte auf den Gipfeln des hohen Himalaya.
Für jeden Anspruch ist etwas dabei: von der leichten zweistündigen Wanderung im Kathmandu-Tal bis zum expeditionsartigen Trekking über die Eispässe vom Makalu zum Everest, von der ornithologischen Themenwanderung im Terai bis zur Wildbeobachtung in den Bergen des Rara-Nationalparks, von der Besteigung einfacher Trekkinggipfel bis zur extremen Achttausender-Expedition. Die Möglichkeiten in Nepal sind nahezu unerschöpflich.
Früher war ich wandern. Ob im heimischen Elbsandsteingebirge, in der Hohen Tatra oder in den Bergen des Pirin-Gebirges, ob ich nur einen Tag ohne Gepäck unterwegs war oder mit vollbeladenem Rucksack, Zelt und allem Proviant, tagelang durchs Gebirge zog – ich war wandern. Ich hatte Wanderhosen, Wanderschuhe und einen Wanderrucksack. Heute besitze ich Trekkinghosen, Trekkingschuhe und einen Trekkingrucksack! Früher war ich draußen unterwegs, heute bin ich »outdoor«. Die Industrie und deren Marketingexperten waren es wohl, die das Trekking »erfunden« haben. Nun ist es im alltäglichen Sprachgebrauch fest verankert. Es gibt Trekking zu Fuß, Kameltrekking und das Trekkingrad.
Gehen wir also am besten davon aus, dass Trekking – heute definiert – das Zurücklegen einer längeren Strecke in mehreren Etappen mit Gepäck ist. Es gibt viele Leute, die, auch in Nepal, auf diese Art und Weise unterwegs sind. Die allermeisten der Touristen allerdings sind nur mit ihrem Tagesgepäck unterwegs, und das Hauptgepäck wird transportiert. Deshalb werden wir in diesem Buch zwar auf Trekkingrouten unterwegs sein, auf den einzelnen Tagesetappen aber wandern!
Nepal – die Wiege des Trekkings
Nepal ist definitiv das Ursprungsland des Trekkings. Im Sog der Achttausender-Expeditionen, angelockt durch Berichte und Bücher, kamen Anfang der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts die ersten Trekkingtouristen ins Land.
Als Vorreiter kann man den Briten James Roberts ansehen. Er hat in den frühen Sechzigern bereits Trekkingtouren für englische und amerikanische Gruppen organisiert und gemeinsam mit Sherpas 1963 die erste Trekkingagentur »Mountain-Travel« gegründet. Für den deutschsprachigen Raum war es der Bergsteiger Günter Hauser. Er brachte die Idee mit nach Deutschland. So fand 1967 die erste deutschsprachige Trekkinggruppe ihren Weg nach Nepal – zum Mardi Himal im südlichen Annapurna-Gebiet. Im Jahr 1973 gründete er die Firma »Hauser Excursionen«, die heute zu den bekanntesten deutschen Anbietern auf dem Gebiet von Trekkingreisen zählt.
Waren es 1960 nur einige hundert Trekker, steigerte sich die Zahl auf etwa 50.000 Mitte der achtziger Jahre, in denen ein richtiggehender Trekkingboom ausgelöst wurde. Ende der Neunziger erreichte er mit mehr als 100.000 Trekkingtouristen seinen vorläufigen Höhepunkt. Im Zuge der Maoistenkonflikte nahm die Zahl in den darauffolgenden Jahren teilweise drastisch ab, seit 2008 stieg sie wieder. Leider ist nach den Erdbeben 2015 die Zahl erneut sehr deutlich zurückgegangen. Das mag an der Angst der Menschen liegen und daran, dass durch eine einseitige Berichterstattung in unseren Medien ein falsches Bild des Landes in den Köpfen vorherrscht. Ich möchte versuchen dieses Bild in dieser Auflage »geradezurücken«.
Zelt oder Luxus-Lodge?
Da es in Nepal in den bergigen Regionen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bis heute nur wenige Straßen gibt – was die örtliche Topographie auch gar nicht erlaubt –, ist das Reisen zu Fuß seit jeher im Land üblich. An den meist gut ausgebauten Wegen zwischen den Orten gab es schon immer einfache Übernachtungsmöglichkeiten, in denen man sich auch verpflegen konnte. Aus diesen traditionellen »Bhatti« genannten Unterkünften entwickelten sich mit der steigenden Besucherzahl zuerst Teehäuser und später die Lodges, die ihren Service den ausländischen Wanderern anbieten. So wurden aus nepalesischen Bauern Unternehmer.
Angefangen hat das Ganze im Annapurna-Gebiet, später entstanden im Khumbu, am Everest und im Langtang-Tal, am Manaslu und am Kanchenjunga ebenfalls Lodges. In diesen drei Gebieten und im Helambu kann man heutzutage ein durchgängiges Lodge-Trekking durchführen. Mittlerweile sind im Everest-Gebiet sogar die ersten Luxus-Lodges entstanden, die den Komfort eines Vier-Sterne-Hotels bieten – natürlich zum entsprechenden Preis. Inzwischen entstehen auch Lodges in anderen Teilen des Landes. Trotzdem ist man in allen anderen Trekkinggebieten Nepals noch immer – zumindest teilweise – auf das Zelt angewiesen.
Der Tourismus ist Nepals wichtigste Devisen-Einnahmequelle. Etwa ein Viertel der Einnahmen des Tourismus in Nepal werden durch Trekking und Bergsteigen erwirtschaftet. Der Trekkingtourismus in Nepal konzentriert sich zum großen Teil auf die Nationalparks und Conservation Areas. Schätzungsweise drei Viertel davon finden im Annapurna- und Everest-Gebiet statt.
Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer NEPAL von Ray Hartung.
NEPAL
Mit Kathmandu, Annapurna, Mount Everest und den schönsten Trekkingrouten
5., aktualisierte Auflage 2023
436 Seiten
ISBN 978-3-89794-613-2
24,95 €
Im Trescher Verlag sind zahlreiche weitere Reiseführer zu Zielen in ASIEN erschienen.