Masuren

Der Oberländische Kanal

Ein Schiff wird auf einem Karren einen Berg hochgezogen
Auf einer Dampferfahrt lassen sich die Rollberge am Oberländischen Kanal live erleben (© Kerstin Micklitza)

Der mit Abzweigungen etwa 150 Kilometer lange Oberländische Kanal (Kanał Elbląski) verbindet Ostróda (Osterode) mit Elbląg (Elbing) und damit das westmasurische Seengebiet mit dem Frischen Haff und der Ostsee. Die Hauptattraktion sind die fünf geneigten Ebenen im unteren Abschnitt, auf denen die Schiffe über Schienen gezogen werden. Sie gleichen den größten Teil des fast 100 Meter betragenden Höhenunterschiedes im Verlauf des Kanals aus. Schon seit einigen Jahren strebt der Bund der elf Oberlandkanal-Gemeinden die Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO an.

Im Jahr 1844 gab der preußische König Friedrich Wilhelm I. die Order zum Kanalbau. Der Königsberger Ingenieur Georg Jakob Steenke hatte die Entwürfe dafür schon seit 1825 in der Schublade. Doch erst durch die königliche Fürsprache gab es das nötige Geld für das kühne Projekt. An der Umsetzung waren dann auch Baurat Wilhelm Severin und Carl Lentze beteiligt – Letzterer war auch einer der Väter des Suezkanals. Die Kanalbauer hatten sich vor eineinhalb Jahrhunderten die Aufgabe gestellt, den auf tieferem Land befindlichen Orten im weitläufigen Weichseldelta einen Zugang zur Ostsee zu ermöglichen.

Während des Baus standen die Ingenieure vor vielen Fragen, und so sahen sie sich weltweit um, was ihre Berufskollegen in Bayern, Belgien, den Niederlanden und England für Lösungen gefunden hatten. 1850 gelang der entscheidende Durchbruch während einer Dienstreise durch die USA: Steenke sah in New Jersey am Morris-Kanal eine Rampenkonstruktion, die dort herkömmliche Schleusen ersetzte. Nach seiner Heimkehr konstruierte Steenke von Wasserrädern betriebene Schienenwagen.

Schiffe auf Schienen

Im Jahr 1872 war der Wasserweg mit den sogenannten Rollbergen, die die Schiffe auf gegenläufigen Waggons befahren, fertiggestellt. Die Schienenwagen sind durch ein Endlosseil miteinander verbunden, die Wasserkraft erzeugt einen Antrieb von etwa lediglich 60 PS – das reicht, um zwei Schiffe gleichzeitig gegenläufig zu transportieren. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden ausschließlich Güter, vor allem Holz, Gerste und andere Lebensmittel, transportiert. Nach 1918 entdeckte man auch das große touristische Potential.

Der künstliche Wasserweg stellt auch ein harmonisches Beispiel für das Miteinander von Mensch und Natur dar. Alle technischen Anlagen werden von erneuerbarer Energie mittels eines genialen Wassersystems betrieben. Daneben haben sich im Laufe der Zeit kleinteilige Biotope für heute bedrohte Tiere und Pflanzen entwickelt.

Mit dem Dampfer über den Oberländischen Kanal

Die Tour mit der »Weißen Flotte« auf dem Oberländischen Kanal beginnt am Binnenhafen Elbląg gegenüber der St.-Nikolai-Kirche (im Juni nur am Wochenende, im Juli und August täglich). Eine Reservierung ist zu empfehlen, manchmal sind die Fahrkarten bereits sechs Wochen im Voraus ausverkauft. Die Fahrt zwischen Elbląg und Pochylnia Buczyniec (Buchwalder Rampe) dauert knapp fünf Stunden und führt über den Drausensee (Jezioro Drużno).

Anschließend werden nacheinander fünf schiefe Ebenen auf Schienen, die oben beschriebenen Rollberge, passiert: Całuny Nowe (Neu Kußfeld), Jelenie (Hirschen), Oleśnica (Schönfeld), Kąty (Kanthen) und Buczyniec (Buchwald). Auf dieser Strecke von etwa zehn Kilometern wird ein Höhenunterschied von exakt 99,5 Metern überwunden.

Weitere Passagierfahrten finden zwischen Buczyniec und Jelenie (ca. 2 Std.), Jelenie und Małdyty (4,5 Std.) sowie Buczyniec und Kąty (1 Std.) statt. Infos: www.statki.ostroda.pl

Für Radfahrer: Zwischen den Rampen Jelenie und Kąty führt ein begleitender Fahrradweg am landschaftlich schönen Kanalufer entlang.

An der Buchwalder Rampe (Pochylnia Buczyniec) dokumentiert das Museum zur Geschichte des Oberlandkanals mit multimedialen Elementen auch die Rekonstruktion zwischen 2012 bis 2015. Von Buczyniec verkehren Busse zurück zum Ausgangspunkt.

Cover des Trescher-Reiseführers Masuren 2024

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer MASUREN von André Micklitza.

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