Die Via Egnatia war für rund 2000 Jahre auf dem Gebiet des heutigen Albanien die wichtigste Fernverbindung. Dieser vormoderne Highway ermöglichte auf einzigartige Weise eine Verbindung verschiedener Regionen des Balkans. Andere Regionen wie Nordalbanien blieben bis in 20. Jahrhundert weitestgehend abgeschnitten von europäischen Fernhandelswegen, wodurch die Entwicklung der Kultur und Technik dort einen anderen Verlauf nahm.
Die Via Egnatia besaß, vom heutigen Italien als Abzweig der Via Appia kommend, auf der östlichen Adriaseite zwei Anfangspunkte: einen in Dyrrhachion (Durrës) und einen etwas jüngeren zweiten »Zubringer« von Apollonia. Beide Routen trafen im Militärlager Scampa (dem heutigen Elbasan) zusammen. Von diesem Ort aus schlängelte sich die Via Egnatia am Fluss Shkumbin entlang in östliche Richtung nach Mazedonien. Über Lychnidos (Ohrid) und Thessaloniki führte der Weg nach Byzanz (Istanbul).
Die Via Egnatia besaß bis zum Ende der osmanischen Herrschaft in Südosteuropa große Bedeutung. Die etwa in der Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. gebaute Heerstraße erhielt ihren Namen vom mazedonischen Prokonsul Gnaeus Egnatius, der den Bau beauftragte. Weil Südosteuropa ab dieser Zeit unter römischen Einfluss geriet, veränderte sich in dieser Region vieles. So zog römische Bevölkerung nach Südosteuropa und der Weinanbau verstärkte sich. Zudem verbreitete sich das Christentum. Sogar Apostel Paulus nutzte die Straße zur Verkündung des Evangeliums.
Auch in der nachrömischen Zeit verlor die Verbindung ihre Bedeutung nicht. Als eine der wenigen West-Ost-Balkantrassen wurde sie von Kreuzrittern, Osmanen und Boten benutzt. Die am besten erhaltenen Streckenverläufe sind in Albanien zu finden. Da die Straße wie alle römischen Straßen gepflastert war, sind Abschnitte mit Originalsteinen auch heute noch erhalten.
Die niederländische Stiftung Via Egnatia Foundation hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Streckenabschnitte instandzusetzen. Dafür ruft die Stiftung zu Geldspenden auf und möchte Touristen wie Albaner für dieses besondere Bauwerk sensibilisieren. Die Bewohner der Dörfer werden ermuntert, den Touristen einfache Unterkünfte anzubieten. Die Stiftung hat einen Reiseführer eigens zur Via Egnatia auf Englisch herausgebracht, der die Strecke zwischen Durrës und Thessaloniki beschreibt. Besonders für Wanderer können die vielen Tipps sehr hilfreich sein, die Streckenabschnitte in Albanien besser kennenzulernen und die Natur zu genießen.
Bauliche Überreste der Via Egnatia finden sich bei Peqin westlich von Elbasan. Eine römische Brücke und eine Festung dokumentieren die Festungsbebauung. Bei Elbasan im Dorf Bradashesh haben sich Überreste der Herberge und Pferdestation Ad Quintum erhalten.
Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer ALBANIEN von Frank Dietze und Shkëlzen Alite.
ALBANIEN
Mit Tirana, Berat, Gjirokastër, Riviera und Albanischen Alpen
6., aktualisierte Auflage 2024
400 Seiten
ISBN 978-3-89794-694-1
22,95 €
Im Trescher Verlag sind zahlreiche weitere Reiseführer zu Zielen in SÜDOSTEUROPA und auf dem BALKAN erschienen.