Wallis

Die Eringer Kühe – starke Damen

Eringer Kuhkämpfe vor Publikum
Die Eringer Kuhkämpfe haben sich zu einer Touristenattraktion entwickelt (© Isa Ducke und Natascha Thoma)

Stierkämpfe, klar, die kennt man, aber wer hat schon mal etwas von Kuhkämpfen gehört? Auf dem großen eingezäunten Areal oben auf der Alm befinden sich um die 100 Kühe. Auf ihren dunklen Rücken sind mit weißer Farbe Startnummern aufgepinselt. Die meisten stehen nur so herum, eigentlich passiert nichts. Doch da, Nummer 65 und Nummer 11 starren sich mit ihren großen Kuhaugen an. Sie senken den Kopf und scharren mit den Hufen. Ein kurzes Schnauben, und die beiden Kühe stoßen mit den Köpfen aneinander und verkeilen die Hörner ineinander. Sie schieben und drücken, keine will nachgeben. Und doch dreht eine der beiden plötzlich ab.

Die Kühe, die hier gegeneinander kämpfen, sind Eringer Kühe, die im Wallis gezüchtet werden. Die Kühe haben eine strikte Rangordnung in der Herde, die jedes Jahr durch Kämpfe neu festgelegt werden muss. Früher taten das wohl alle Kühe, doch den meisten Milchkühen ist dieser Instinkt verlorengegangen. Nachdem die Tiere den Winter im Stall verbracht haben, geht es im späten Frühjahr zusammen mit den Kühen benachbarter Ställe auf die Weide.

Schon beim Auftrieb beginnt eine Rangelei. Oben angekommen, wird das Ganze als zuschauerwirksames Spektakel ausgetragen. Die Siegerin ist die »Königin«. Das entscheidet kein Ringrichter, sondern die anderen Kühe der Herde lassen ihr fortan lieber den Vortritt: Sie darf den Sommer über als erste das beste Futter fressen. Anders als Stierkämpfe sind die Kuhkämpfe fast unblutig. Die schwächeren Kühe geben in der Regel auf oder stellen sich erst gar nicht zum Kampf. Aus diesem natürlichen Verhalten sind die regionalen Ringkuhkämpfe entstanden.

Liegende Eringer Kuh mit Hörnern und Glocke
Bitte recht unfreundlich! Eine Eringer Kuh lässt sich nichts gefallen (© Lucius Antonius/CC BY-SA 4.0)

Ring frei!

Die Kühe treten je nach Alter und Gewicht in fünf unterschiedlichen Kategorien an. Teilnehmen können Kühe ab 2,5 Jahren, die Gewichtsklassen liegen zwischen 400 und 500 Kilogramm. Bei den Kuhkämpfen gibt es keinen Torero, aber sogenannte Rabatteure. Das sind Männer mit einem Holzstock, die die Kämpfe überwachen, Massenkeilereien verhindern und auch mal eine kampfunlustige Kuh an die Gegnerin heranführen. Und wenn zwei Königinnenanwärterinnen sich noch nicht begegnet sind, dann sorgen die Rabatteure dafür.

Die Wettkämpfe beginnen im Herbst in regionalen Wettbewerben in kleineren Gruppen. Kühe, die drei Kämpfe verloren haben oder partout nicht kämpfen wollen, scheiden aus. Die sieben besten Kühe aller Gruppen treffen sich im regionalen Finale ab Ende März. Die Siegerinnen in jeder Kategorie qualifizieren sich für das nationale Finale, das im Mai in Aproz, einem Ortsteil von Nendaz, stattfindet. Dort sind bis zu 10 000 Zuschauer in der Arena, und das Finale wird im Fernsehen übertragen.

Namensgeber für die Eringer Kühe ist das Eringertal (Val d’Hérens) im Wallis. Ihre Vorfahren sollen mit den Römern hierhergekommen sein, doch als eigenständige Rasse gelten sie erst seit dem späten 19. Jahrhundert. Obwohl die Kühe wuchtig und muskulös wirken, gehören sie zu den kleineren Rinderrassen Europas. Als Zweinutzungsrasse werden die Eringer sowohl wegen der Milch als auch für das Fleisch gehalten. Sie gelten als anspruchslos und verfügen über eine gute Trittsicherheit, sodass auch steile Berghänge kein Problem für sie darstellen. Eringer Kühe gibt es inzwischen überall im Wallis, und die Siegerinnen kommen heute aus ganz verschiedenen Regionen, nur selten aus dem Val d‘Hérens.

Mehr Informationen unter: www.raceherens.ch

Cover Trescher-Reiseführer Wallis

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer WALLIS von Isa Ducke und Natascha Thoma.

WALLIS

Mit Zermatt, Matterhorn, Saas-Fee, Aletschgletscher, Sion und Rhonetal
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312 Seiten
ISBN 978-3-89794-573-9

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