Barnim Uckermark

Am stillen Finowkanal

Boot auf dem Finowkanal
Am Finowkanal (© Kristine Jaath)

Seit über 400 Jahren verbindet der Finowkanal die Havel mit der Oder und damit im weitesten Sinne Nordsee und Ostsee. 2020 feierte die älteste künstliche deutsche Wasserstraße ihren 400. Geburtstag, und lange Zeit diente sie als wichtigster Gütertransportweg in der nördlichen Mark. Wo in den Jahren um 1900 noch mehr als 2,5 Millionen Tonnen Waren per anno geschifft und gut 50 000 Holzstämme geflößt wurden, genießen heute Paddler und Freizeitkapitäne die stille Natur am romantischen, grün eingewachsenen Wasserlauf.

Die Idee, Oder und Havel durch einen Kanal miteinander zu verbinden und damit ein durchgehendes Wasserwegenetz zwischen Nordsee und Ostsee zu schaffen, ist über 400 Jahre alt. 1603 erließ Kurfürst Joachim Friedrich die Order, von der Faulen Havel bei Liebenwalde bis zur Oder einen Wasserweg anzulegen. 1605 erfolgte der erste Spatenstich, bis 1620 war Deutschlands erste – und damit älteste – künstliche Wasserstraße gegraben. Ihren Dienst konnte sie allerdings kaum mehr verrichten. Von 1618 bis 1648 tobte der Dreißigjährige Krieg. Die Bevölkerung, die nicht durch marodierende Soldaten umkam, starb an Krankheiten und Hunger. Alle Infrastruktur wurde verheert, so auch der Finowkanal, der im Lauf der Jahrzehnte verfiel. Der Wiederaufbau des Landes nach Kriegsende ging langsam voran. Erst 100 Jahre später griff König Friedrich der Große nach seinem Regierungsantritt 1740 das Projekt Finowkanal wieder auf. Bereits nach dreijähriger Bauzeit konnte die Wasserstraße 1746 neu eröffnen, und in den nächsten 150 Jahren stieg die 42 Kilometer lange Verbindung zwischen Havel und Oder zu einer der wichtigsten preußischen Binnenwasserstraßen auf. Sogenannte »Finowmaßkähne« mit maximal 1,4 Meter Tiefgang, 4,6 Meter Breite und 170 Tonnen Traglast wurden vom Treidelweg am Ufer aus von Pferden oder auch mit menschlicher Muskelkraft von Treidlern gezogen. Schiffer und Handwerker ließen sich in der prosperierenden Region am Finowkanal nieder.

Doch nicht erst mit Bau des Finowkanals, auch schon im Mittelalter hatte das Flüsschen Finow große wirtschaftliche Bedeutung. Seine Wasserkraft lieferte Energie für den Betrieb von Getreide-, Säge- und Hammermühlen. Mit dem Kanalbau siedelten sich dann zahlreiche frühindustrielle Werke an. Die künstliche Wasserstraße entwickelte sich zur Lebensader der brandenburg-preußischen Industrieregion Eberswalde. Anfang des 20. Jahrhunderts war man jedoch an die Kapazitätsgrenze gelangt. Obwohl Tag und Nacht geschleust wurde, konnte der Güterverkehr auf dem Finowkanal nicht mehr bewältigt werden.

Niedergang und neues Leben

1906 begann daher wenig entfernt der Bau des größeren Hohenzollernkanals (Oder-Havel-Kanal) mit weniger Schleusen für größere Schiffe, die mehr Fracht laden können. 1914 fand seine Einweihung statt. Der Finowkanal verlor mehr und mehr an Bedeutung. 1972 kam der Wirtschaftsverkehr endgültig zum Erliegen. Nach umfassender Sanierung an der Jahrtausendwende dient die kleine künstliche Wasserstraße, mittlerweile romantisch verkrautet, heute als herrliche Wasserpartie für Paddler und Hobbyschiffer. Zwölf handbetriebene historische Schleusen müssen zwischen Zerpenschleuse im Westen und der Lieper Schleuse im Osten überwunden werden. Unterwegs bieten Wasserwanderrastplätze Zelt- und Versorgungsmöglichkeiten.

Das in den 1920er Jahren verfüllte Teilstück des Werbellinkanals bei Marienwerder, das einmal Oder-Havel- und Finowkanal miteinander verband, wurde bis 2011 zur Freude der Wasserwanderer wieder schiffbar gemacht. Seitdem können Freizeitkapitäne vom Finowkanal aus Kurs auf den Werbellinsee in der Schorfheide nehmen. Bei Zerpenschleuse folgte 2016 die Wiedereröffnung des »Langen Trödels«. Dort, wo der Finowkanal den Oder-Havel-Kanal quert, hatte man 1924/25 die beiden Finowkanalschleusen zugeschüttet. Der Kanalabschnitt von Zerpenschleuse bis Liebenwalde wurde dadurch zum stehenden Gewässer, dem Langen Trödel. Nach der Sanierung sowie dem Bau einer neuen Schleuse, von zwei Klappbrücken und einer Hubbrücke herrscht jetzt wieder freie Fahrt zwischen Oder und Havel – oder wer noch weiter möchte, zwischen Nordsee und Ostsee.

Cover Reiseführer Barnim Uckermark

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer BARNIM UCKERMARK von Kristine Jaath.

BARNIM UCKERMARK

Mit Schorfheide, Chorin, Eberswalde, Schwedt, Bernau, Angermünde, Prenzlau und Templin

3., aktualisierte Auflage 2022
224 Seiten
ISBN 978-3-89794-592-0

12,95 €

 

Im Trescher Verlag sind zahlreiche weitere Reiseführer zu Zielen in DEUTSCHLAND erschienen.