Entdeckungen in Südbaden

Profitabler Kitsch – die Schwarzwaldmaler

Gemälde von Herrmann Dischler: »Winter im Schwarzwald«
Herrmann Dischler: »Winter im Schwarzwald«, 1908, Städtische Museen Freiburg (© Foto: Axel Kilian/CC BY 4.0)

Die Eröffnung der Höllentalbahn im Mai 1887 hatte gewaltige Bedeutung für den Schwarzwaldtourismus. Je stärker die Industrialisierung der Städte voranschritt, desto größer wurde die Sehnsucht nach der heilen Natur. Hinterzarten, 900 Meter über dem Meer, warb mit dem Prädikat »Höhenluftkurort«. Es sollte nicht bei »Sommerfrischlern«, wie man die Touristen damals nannte, bleiben. In jener Zeit wurde auch der Winter im Schwarzwald als Freizeitattraktion entdeckt. Die kalte Jahreszeit wurde nicht nur für Gastwirte und Sportartikelhersteller zum Geschäft, sondern es profitierte noch eine ganz andere Berufsgruppe – die »Schwarzwaldmaler«, allen voran Hermann Dischler (1866–1935).

Vielleicht war er weniger Künstler als Kunsthandwerker, das aber in Perfektion. Und überdies ein Genie in der Eigenvermarktung. Ein Foto zeigt den Wintermaler auf Skiern stehend, den Skistock als Stativ für Leinwand und Malkasten nutzend, angetan mit Südwester und selbst entwickeltem Seehundpelzanzug, den Unbilden des Winters trotzend. Weniger bekannt war, dass er seine Motive abfotografierte und daheim im warmen Atelier auf den Malgrund projizierte. Entsprechend sehen seine Bilder aus: Gestochen scharf und historisch korrekt gefriert die Landschaft in Öl. Mit zeitgenössischen Kollegen wie Monet, Munch oder Hodler hat sich Dischler vermutlich nicht einmal mental auseinandergesetzt. Dafür hatte er materiellen Erfolg.

Die Herren Direktoren und Kommerzienräte aus dem Ruhrgebiet mit seinem rußgeschwärzten Himmel zahlten gutes Geld, um sich einen Dischler mit den nostalgischen Motiven des Märchenwinters über’s Kanapee hängen zu können. 1907 konnte sich der Maler eine honorige Villa auf dem Erlenbruck in Hinterzarten erbauen. Im Heimatstil konzipiert, war das Künstlerheim gleichzeitig nicht nur Galerie, sondern auch verkaufsförderndes Postkartenmotiv. Dischler konnte vom Fenster seines Hauses auf Hinterzarten und seine geliebten Berge sehen und quasi in Pantoffeln malen. Die Nachbesitzer ließen das Anwesen leider völlig verwalden.

Die Kehrseite des Erfolgs

Die massive Werbung für den Schwarzwald forderte allerdings auch ihren Preis. Dischlers Lieblingsgipfel, der Feldberg, ist bald so überlaufen, dass sich der Maler angewidert von dem »Modebereg«, wie er ihn jetzt nennt, abwendet. In seinen schlimmsten Träumen hätte er freilich nicht ahnen können, wie weit wir heute gekommen sind. Der ganzjährige Rummel, der sogar den Bau eines Parkhauses erforderlich machte, ist der Grund dafür, dass ich Sie auf unserer Tour zwar um den Berg herumführe, aber nicht das Zentrum des Touristenorkus besuchen möchte. Bevor die Fremdenverkehrsindustrie es nicht erreicht hat, dass die Besucherdichte auf dem Feldberg die vom Markusplatz in Venedig toppt, wird sie wohl keine Ruhe geben.

Cover Trescher-Reiseführer "Entdeckungen in Südbaden"

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer ENTDECKUNGEN IN SÜDBADEN von Wolfram Haas.

ENTDECKUNGEN IN SÜDBADEN

15 Exkursionen zwischen Rhein und Schwarzwald
Mit Ausflügen ins Elsass und in die Schweiz sowie mehr als 230 Einkehrtipps

 

1. Auflage 2023
432 Seiten
ISBN 978-3-89794-588-3

18,95 €

 

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