Oder

Nationalpark Warthemündung

Nationalpark Warthemündung, Polen
Steter Wandel im Nationalpark Warthemündung (© Kristine Jaath)

Direkt an der Kostrzyner Stadtgrenze beginnt der 2001 ins Leben gerufene Nationalpark Warthemündung (Park Narodowy Ujście Warty). Auf 8000 Hek­tar erstreckt sich diese einzigartige Wasser-Land-Fläche, von der man nie sagen kann, ob man sie am nächsten Tag mit dem Rad oder besser mit dem Boot durchwandern kann.

Weit geht der Blick über die Flussniederung, die Wiesen- und Weideland und von Kopfweiden gesäumte, holprige Feldwege schmücken. Wenn am Oberlauf der Warthe Tauwetter einsetzt oder nach starken Regenfällen, verwandelt sich die Ebene fast über Nacht in eine schier endlos wirkende Wasserfläche, aus der da und dort noch ein paar Baumspitzen oder auch eine alte Deichkrone hervorlugen. Insbesondere in der Vorfrühlingszeit ist sie ein atemberaubendes Wasservogelparadies, deshalb auch »Republik der Vögel« (Rzeczpospolita Ptasia) genannt.

Zwei Flüsse ziehen im jüngsten polnischen Nationalpark ihre Bahnen: die wild mäandernde Postomia (Postumfließ), die in Kostrzyn in die Warthe (Warta) mündet, sowie die Warthe selbst, die das Gelände, von zahllosen Altarmen und Kanälen durchflossen, in einen schmaleren Nordteil und ein weitläufiges südliches Überschwemmungsgebiet scheidet.

Südlich wird der Nationalpark vom Hochwasserdeich mit der Straße 22 obenauf nach Gorzów Wielkopolski eingedämmt. In mancher Zeit schwappt dort das Wasser fast bis an die Fahrbahnmarkierung, in anderer Zeit geht der Blick plötzlich über ein unbegrenzt scheinendes, grünes Land.

Der Nordpolder grenzt unmittelbar an Kostrzyn. Von dort kann man zum Beispiel ab Pumpwerk (Stacja Pomp) Warniki am nordöstlichen Stadtausgang auf einer Wanderung am Nationalparkrand auf dem Hochwasserdeich entlang die Aussicht auf Röhricht und Seggenriede, Feuchtwiesen und Erlenbrüche genießen. An den periodischen Wassertümpeln lassen sich Kraniche sowie Regenpfeifer und andere Watvögel beobachten. Insgesamt werden im Nationalpark 270 Vogelarten gezählt, darunter so seltene gefiederte Gesellen wie der Brachvogel oder der Schwarzstorch. Ausgeschilderte Wanderwege ins Nordpolder starten außerdem von den Dörfern Dąbroszyn und Kamień Mały (circa sieben beziehungsweise zehn Kilometer nordöstlich von Kostrzyn).

Republik der Vögel

Unter König Friedrich dem Großen wurde das Warthebruch zwischen 1767 und 1782 trockengelegt. Deiche, Schleusensysteme und Abflusskänale und mit der Erfindung der Dampfmaschine außerdem Pumpstationen regulieren seitdem die Wasserstände. Anders aber als im Nordpolder, wo der Deich parallel zum Flussbett verläuft, hat man der Warthe das Land südwärts im Überschwemmungsgebiet zurückgegeben. Der Posto­mia mit ihren sich ständig verändernden Schleifen und verästelten Wasserläufen wurde sogar wieder vollkommen freier Lauf gelassen.

Je nach Wetter und Jahreszeit kann hier der Wasserstand um bis zu vier Meter schwanken – am höchsten ist er in der Regel nach der Schneeschmelze im jungen Frühling. Wo sich kürzlich noch Weiden und Wege befanden, heißt es auf einmal »Land unter«. Rohrdommeln, Nachtreiher, Wachtelkönig und Sumpfhühner finden dann reichlich Nahrung für ihre Küken. Zugvögel wie Goldregenpfeifer, Kornweihe und Singschwan legen in Scharen einen Stopp auf ihrer halbjährlichen Fernreise ein oder überwintern immer öfter sogar gänzlich auf den Wiesen und Überschwemmungsflächen. Tatsächlich ist in der »Vogelrepublik« das ganze Jahr etwas los. Ein manchmal ohrenbetäubendes Schnattern, Gurren, Kreischen, Trompeten und Tirilieren. An manchen Tagen werden bis zu 250.000 Vogelindividuen im vergleichsweise kleinen Nationalpark gezählt.

Wanderungen ab Chyrzyno und Słońsk

Nur knapp einen Kilometer vom Kreisel südlich der Kostrzyner Altstadt liegt an der Straße 22 beim Flecken Chyrzyno die Nationalparkverwaltung. Ein Aussichtsturm und ein Naturlehrgarten bieten einen ersten Überblick über die Land-Wasser-Welt, und es gibt Karten und Informationen zu den ausgeschilderten Wanderwegen. Manche davon darf man mit dem Auto befahren, die meisten sind allerdings nur zu Fuß und für Radler freigegeben. Ein markierter Rundwanderweg kann außerdem, je nach Wasserstand, auch mal unverhofft als Sackgasse enden, wenn sich plötzlich ein See auftut. Dementsprechend ist das Betreten der Wege natürlich erst dann erlaubt, wenn sie nicht mehr unter Wasser stehen. Und Gummistiefel können in der Übergangszeit ebenfalls nicht verkehrt sein.

Vor der Słońsker Kirche hat die Gemeinde für die Nationalparkbesucher einen Picknickplatz eingerichtet und Informations­tafeln zu den Wanderwegen aufgestellt. Fünf markierte Wanderrouten zwischen 5 und 21 Kilometern führen ins Überschwemmungsgebiet hinein, und auch hier hängt die Begehbarkeit natürlich immer vom Wasserstand ab.

Cover Reiseführer Oder

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer ODER von Kristine Jaath.

ODER

Von der Neißemündung bis zur Ostsee
Mit Neuzelle, Frankfurt (Oder), Kostrzyn, Szczecin, Wolin und Usedom

1. Auflage 2022
428 Seiten
ISBN 978-3-89794-480-0

18,95 €

 

Im Trescher Verlag sind zahlreiche weitere Reiseführer zu Zielen in DEUTSCHLAND erschienen.