Böhmisches Bäderdreieck

Böhmen by bike – der Egerradweg

Radler pausiert mit Blick auf die Eger und waldige Hügel
Radelpause in Černýš bei Klášterec nad Ohří (© Kerstin Micklitza)

Der Egerradweg ist in Deutschland fast unbekannt, in Tschechien dagegen populär. Er führt von der Quelle im Fichtelgebirge anfangs etwa 50 Kilometer durch Bayern, anschließend weitere 250 Kilometer durch West- und Nordböhmen. Die Tour besticht durch eine abwechslungsreiche Landschaft, historische Bierbrauerstädtchen und den berühmten Kurort Karlovy Vary.

Die Franken machen es Radfahrern nicht leicht, denn zwischen dem Bahnhof Münchberg und der Egerquelle liegen zwar nur 20 Kilometer, aber die haben es in sich. Außer kurzen Straßenabschnitten wechseln sich nur Grob- und Feinschotter ab. Darum sind hier mehr als fünf Kilometer pro Stunde nicht drin.

Die Eger quillt am Nordwestabhang des Schneebergs auf 752 Meter Höhe ans Tageslicht. Auf Granitsteinen, um die klare Quelle herum ausgelegt, sind die Namen aller größeren Orte eingemeißelt, durch die der Fluss vom fränkischen Fichtelgebirge bis zur Mündung in die Elbe bei Litoměřice (Leitmeritz) fließt. Als Krönung des Abends betrachten die beanspruchten Radfahrer aber die nachfolgende rasante lange Abfahrt auf der Straße hinunter nach Schönlind.

Am nächsten Morgen rufen die vielen Felsenkeller in Weißenstadt Erstaunen hervor. Am Kellerberg waren etwa 130 im alltäglichen Gebrauch, viele sind noch gut erhalten. Im Fränkischen lässt sich die Eger vom Rad aus selten blicken. Als Ausgleich erleben wir im engen Egertal zwischen Neuhaus (Ortsteil von Hohenberg) und Blumenthal eine besonders romantische Landschaft. Nahe dem Flüsschen stehen jahrhundertealte Fichten, es zeigen sich malerische Felsen.

Die schönste Partie offenbart sich am Hirschsprung: Kräftig gelbe Farbe, wie angepinselt, schmückt diese Felswand. Aber alles ist natürlich, denn die Schwefelflechte breitet sich durch eine Symbiose von Algen und Flechten aus. Hier scheinen sich beide besonders zu mögen, eine so große Fläche ist selten.

Über Hohenberg an der Eger und Schirnding rückt die bayerisch-böhmische Grenze näher. Die einstige Trennlinie zwischen West und Ost ist für Radfahrer kaum noch zu erkennen, der frühere Todessstreifen nach über 30 Jahren zugewachsen. Wunderbar: Bereits ab dem ersten Meter des Egerradwegs in Böhmen surren die Räder auf tadellosem Asphalt Richtung Cheb.

Von der Kaiserpfalz ins Kurbad

Cheb, das historische Eger, hat dem Fluss seinen deutschen Namen gegeben. Anfang des 13. Jahrhunderts ließen sich im Schatten der Egerer Kaiserpfalz Kaufleute, Gerber und Tuchmacher nieder. Das Asphaltband des Cyklostezka Ohře, wie der Egerradweg in Böhmen offiziell genannt wird, ist ab dem östlichen Stadtrand eine Klasse für sich.

Die Eger bleibt bis Kynšperk nad Ohří (Königsberg) unser ständiger Begleiter. Das Städtchen wirkt verschlafen, die größte Sehenswürdigkeit ist eine gut besuchte Bierschwemme. Zwei Hasen mit Humpen in der Pfote thronen am Eingangstor, und das Abbild von Meister Lampe ziert auch die neun Biersorten – helle, goldene und ein dunkles: »Zajíc« (Königsberger Hase). Einige kommen in der historischen Mälzerei unter Klinkersteingewölbe aus dem Zapfhahn. Und wer kein Frischgezapftes mag, kann vielleicht dem Apfelstrudel mit Bierteig oder dem hausgemachten Biereis mit Schlagsahne etwas abgewinnen.

Auf halber Strecke zwischen Sokolov und Karlovy Vary fließt die Eger um Loket ihren schönsten Bogen. Karlovy Vary (Karlsbad), die nächste Station am Weg, ist malerisch in das Flusstal der Tepl eingebettet und der größte Kurort Tschechiens.

Eine fantastische Abfahrt von Stráň bringt uns schnell nach Radošov ins Egertal. Unterwegs zeigt sich der höchste Berg des Erzgebirges, der Keilberg (Klínovec), in ganzer Schönheit. Ab August kann man sich unterwegs auch an den vielen alten Apfelbäumen bedienen, die hier scheinbar niemand beachtet. Zwischen den Dörfern Jakubov und Stráž nad Ohří treten die ersten Schwachstellen auf dem böhmischen Teil des Egerradwegs zutage: Der Weg besteht aus Lehm, der sich bei Regen in Schmierseifenbahnen verwandelt. Radler müssen hier aufpassen, damit ihnen die bepackten Räder nicht entgleiten.

Bei Kadaň war offenbar wieder genügend Geld für den Radwegebau vorhanden, selbst für eine gewagte Fuß- und Radfahrerbrücke entlang einer steilen Felswand reichte es. Leider werden Radfahrer am südöstlichen Stadtrand auf die stark befahrene Straße Richtung Žatec mit mehreren uneinsehbaren Kurven geleitet; zum Glück ist diese Stelle bald passiert.

Auf dem Egerradweg durchs Hopfenland

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs war Saaz, heute Žatec, die Weltmetropole des Hopfens, noch immer ist der Saazer Hopfen der beste und teuerste. Hier fand man im Jahr 2001 auf dem Marktplatz das Grab des ältesten Biertrinkers der Welt: Neben seinem Skelett lagen ein Krug und eine Tontafel mit sieben Kerben – die angebliche Bierrechnung. Dieser Verblichene aus der Kultur der Homolupulen erhielt den Namen »Lojza Lupulin«, und die Tontafel wurde zum Symbol des einzigartigen Hopfen- und Biertempels.

In der Nähe des Eingangs zur Minibauerei »U orloje« ist die Hopfenturmuhr zu sehen. Nebenan wurde die einstige Hopfenlager- und Verpackungshalle in ein Museum des Hopfenanbaus (Chmelařské muzeum) verwandelt, das größte seiner Art in Europa. Und auf dem Saazer Marktplatz fällt das kleinste Hopfenfeld der Welt auf, es ist kaum größer als eine Vierzimmerwohnung.

Fünf Kilometer östlich von Žatec, zwischen den Dörfern Stekník und Strkovice, schlängelt sich der Egerradweg durch ein weitläufiges Hopfenanbaugebiet. Manch ein Plantagenbesitzer hat sich früher mit der unverzichtbaren Brauzutat eine goldene Nase verdient, wie eine alte Villa in Strkovice beweist: Die dörfliche Residenz quillt über vor Zierrat.

Tourausklang an der Elbe

Durch die Städte Louny, Libochovice und Budynĕ nad Ohří nähern wir uns der Elbe. Schließlich erscheinen zwischen Doksany und Terezín die Kegel des Böhmischen Mittelgebirges aufgereiht wie zu einer Filmkulisse. Aber es ist alles echt. Mit Fantasie kann sich der Betrachter vorstellen, wie es hier in der Urzeit aus dem Erdinneren Asche und Feuer spie.

Terezín, das frühere Theresienstadt, ist heute eine Mahnstätte für den Frieden. Während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg war das Städtchen samt gewaltiger Festung das Durchgangs- und Sammellager für böhmische Juden, die die Nazis von hier in die Konzentrations- und Vernichtungslager brachten. Ausstellungen berichten davon. Wer sich umfassend mit diesen Geschehnissen beschäftigen möchte, dem sei der nahezu unbekannte Roman Prager Winter von Nikolaus Martin ans Herz gelegt. Er hat die Hölle auf Erden erlebt und seine Geschichte authentisch der Nachwelt überliefert.

Vier Kilometer nördlich von Terezín, bei Litoměřice (Leitmeritz), fließt die Eger ganz unspektakulär in die Elbe. »Wer ist denn der, der nicht gern einen guten Wein trinkt?«, fragte bereits im Jahr 1565 ein Leitmeritzer Schreiber. Am weitläufigen Markt gibt es viele romantische Plätze, auf denen man einen erlesenen böhmischen Tropfen genießen kann.

Dazu zählt auch der Ratskeller (Radniční sklípek). Dieser befindet sich allerdings nicht im Rathaus, sondern etwas entfernt im dreistöckigen felsigen Untergrund. Der Gang ist nicht allzu hoch, eben den kleinwüchsigeren Leuten des Mittelalters angepasst. Daher warnt eine Tafel: »Wenn wir durch Alkohol gestärkt werden, haben wir Probleme mit der Beherrschung unseres Körpers, und es kann sein, dass wir uns eine Beule mit nach Hause bringen.«

In Franken ist die Strecke mit WUN 15 markiert, in Böhmen durchgängig mit der Nr. 6. Ausführliche Informationen zum Egerradweg: www.egerradweg.cz

Böhmisches Bäderdreieck 2024 Cover

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer BÖHMISCHES BÄDERDREIECK von André Micklitza.

BÖHMISCHES BÄDERDREIECK

Rund um Franzensbad, Karlsbad und Marienbad
Mit Extra-Kapitel zu Pilsen

4., aktualisierte und erweiterte Auflage 2024
168 Seiten
ISBN 978-3-89794-650-7

12,95 €

 

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