Breslau und Niederschlesien

Die Zwerge von Breslau

Bronzeskulptur aus kleiner und großer Hexe mit Besen und Katze, dahinter Blick über die Dächer von Breslau
Die Hexen Tekla und Martynka auf der Brücke der Büßerinnen zwischen den Türmen der Maria-Magdalena-Kirche (© Liya_Blumesser/shutterstock.com)

Als Graffiti waren sie einst die Geheimwaffe einer subversiven Spaßguerilla, heute bevölkern heute rund 360 Zwerge die Breslauer Innenstadt. Die Miniskulpturen haben mit ihrem Charme längst die Herzen der Einwohner und der Besucher der Stadt erobert.

In den 1980er Jahren entwickelte sich Wrocław zu einem der Zentren des politischen Widerstands in Polen. Bis zur Verhängung des Kriegsrechts 1981 hatte die Gewerkschaft Solidarność hier eines ihrer stärksten Zentren. Seit Anfang 1983 zierten immer öfter lustige Zwerge die Häuserwände, Brücken und Unterführungen in Breslau. Die Staatsmacht war perplex, handelte es sich doch einerseits um harmlose Figuren, andererseits um nicht erlaubte Graffities. Man schickte Reinigungstrupps los, die die Zwerge überpinseln sollten, doch die graue Farbe bot einen guten Untergrund für neue Malereien.

Mit solchen und anderen Aktionen führte die Oppositionsgruppe »Orange Alternative« die Herrschenden vor. In grotesker, übersteigerter Form begingen die Anhänger der Opposition auch Feiertage wie den Tag der Oktoberrevolution, den Tag der polnischen Armee oder den Nikolaustag und machten sich so über die Absurditäten des sozialistischen Systems lustig. Häufig wurden Teilnehmer der Happenings von der Miliz überprüft und festgenommen. Organisiert wurden die Aktionen von Waldemar Frydrych, der den Decknamen »Mayor« trug. Seine Idee waren auch die lustigen Zwerge, die erst in Wrocław und bald auch in anderen polnischen Großstädten als Symbole des Widerstands die Runde machten.

Zwei Bronzezwerge schieben eine Steinkugel von entgegengesetzten Seiten
Wer die Zwerge entdecken will, muss öfter mal nach unten schauen (@ Klaus Klöppel)

Vom Widerstandssymbol zum Besuchermagneten

Heute findet man die Zwerge wieder überall in der Stadt, nun allerdings als symbolträchtige Werbung für Wrocław. »Papa Krasnal«, der Urvater der Breslauer Zwerge an der ul. Świdnicka, hat inzwischen eine kaum noch überschaubare Zahl von Kindern und Enkeln bekommen. Immer wieder kommen neue hinzu. Man kann sie an Straßenecken, auf Fensterbänken oder an Häuserwänden entdecken. Sie treten vor allem in der Altstadt gehäuft auf, sind inzwischen aber auch schon in andere Bezirke vorgedrungen.

Manche tragen einen Kosenamen, andere eine Berufsbezeichnung. Man sieht beispielsweise einen Geologen, einen Arzt oder einen Gärtner, alle in einer passenden Montur. Manchmal treten sie zu zweit auf, wie die beiden Sysiphusse, die an der ul. Świdnicka versuchen, eine schwere Kugel zu bewegen. Da sie beide in gegensätzliche Richtungen schieben, kommen sie leider nie vom Fleck.

Jeder Zwerg hat seine eigene Geschichte, viele davon sind nachzulesen auf dem deutschsprachigen Online-Portal der Stadt: www.visitwroclaw.eu. Natürlich bieten die örtlichen Touristiker längst Führungen zu den Breslauer Zwergen an, die sich zum neuen Markenzeichen der Stadt entwickelt haben. Beim Festiwal Krasnoludów im September werden die Zwerge lebendig und bevölkern das Stadtzentrum in ihren bunten Kostümen. Auch auf dem Weihnachtsmarkt dürfen sie nicht fehlen.

Alles rund um die Zwerge gibt es bei der Krasnal Info neben dem Historischen Rathaus (Sukiennice 12).

Cover des Trescher-Reiseführers Breslau

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer BRESLAU UND NIEDERSCHLESIEN von Klaus Klöppel.

BRESLAU UND NIEDERSCHLESIEN

Mit Riesengebirge, Isergebirge, Glatzer Bergland, Waldenburger Land und Eulengebirge

8., aktualisierte Auflage 2024
360 Seiten
ISBN 978-3-89794-679-8

18,95 €

 

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