Wer Kaffee liebt, wird in Triest sein Glück finden. Wo seit Jahrhunderten Kaffee importiert und in den traditionsreichen Röstereien weiterverarbeitet wird, gleicht schon die Bestellung der bevorzugten Zubereitungsart einer Zeremonie. Auf den Spuren bekannter Literaten wandelt man in den erhaltenen Kaffeehäusern der k.u.k. Epoche. Kaffeetrinken in Triest – nur einer von vielen kulinarischen Genüssen in Friaul-Julisch Venetien.
In der Schlange vor dem Tresen eines Kaffeehauses in Triest kann schon mal Folgendes hören: Un capo deca in b. Was nichts anderes heißt als »Espresso mit etwas Milch, entkoffeiniert, im Glas«. Capo bedeutet Espresso mit Milch im Unterschied zum Nero, dem einfachen schwarzen Kleinen. Deca steht für decaffeinato (entkoffeiniert), was auch in Italien immer beliebter wird. In b ist die Kurzform für in bicchiere, denn Kaffee bleibt im Glas länger heiß als in der Tasse.
Man ahnt, dass Kaffeetrinken in Triest seine ganz eigenen Traditionen hat. Was nicht verwundert, ist Kaffee in der Hafenstadt doch bis heute eines der wichtigsten Handelsgüter. 62,7 Millionen Tonnen Kaffeebohnen wurden 2018 importiert. Die erste Rösterei eröffnete Hermann Hausbrandt, eigentlich Kommandant der österreichischen Handelsmarine, bereits 1892. Andere wie Illy, Bazzara oder das kleine Unternehmen Torrefazione La Triestina folgten. In diesem Geschäft in der Via di Cavana 2 können mehrere Kaffeemischungen verkostet werden.
Etwa 50 Unternehmen sind heute in Triest im Kaffeehandel tätig. Einige von ihnen schlossen sich 2008 zur besseren Vermarktung ihrer Produkte zum Trieste Coffee Cluster zusammen. Denn immer wieder werden einheimische Unternehmen aufgekauft, so gehört Hausbrandt seit 1988 zu Segafredo Zanetti. Was Alessandro Hausbrandt nicht daran hinderte, sieben Jahre später eine neue kleine, feine Rösterei aufzubauen, die Antica Tostatura Triestina.
Alle zwei Jahre findet inzwischen die Profimesse TriestEspressoExpo statt, an der sich Kaffeeunternehmen aus mehr als 80 Ländern beteiligen. Die nächste Ausgabe findet im Oktober 2024 statt. Für Profis und Laien wurden dagegen die Bloom Coffee School (www.bloom.coffee) und die Università del Caffè (www.unicaffe.com) gegründet. Bei dieser von Illy betriebenen Einrichtung geht es zum Beispiel um die wichtigste aller Kaffeefragen: Wie erkennt man mithilfe des Geruchssinns die Qualität?
Die Kunst der richtigen Bestellung
Und so wird nirgendwo in Italien so viel Kaffee getrunken wie in Triest, zehn Espressi am Tag können es bei manchen schon mal sein. Wobei der bei uns verwendete Begriff »Espresso« nicht nur in Triest, sondern auch im Rest Italiens eigentlich nicht gebraucht wird. Stattdessen bestellt man un caffè. Seit einiger Zeit ist nun jedoch eine Veränderung festzustellen, die wohl mit deutschen Touristen zusammenhängt. Wer heute als erkennbarer Nichtitaliener un caffè bestellt und meint, alles richtig gemacht zu haben, wird vom Kellner schon mal gefragt, ob er damit einen espresso oder einen americano meine. Americano, stark verlängerter Espresso, ist in italienischen Bars so etwas wie ein Synonym für Filterkaffee. Und den scheinen viele Deutsche immer noch am liebsten zu mögen.
Cappuccino, den die Triester caffè latte nennen, trinken die Italiener im Übrigen nur zum Frühstück, da er danach wegen des hohen Milchanteils den Magen belaste und andere Genüsse behindere … Was aber am Morgen zum Kaffee unbedingt dazugehört, ist eine brioche, wie in Triest die mit Marmelade oder Creme gefüllten Croissants heißen. Solch ein Latte-Brioche-Frühstück wird jedoch meist in einer Bar um die Ecke und nicht in einem der traditionellen Kaffeehäuser eingenommen. Denn morgens muss es schnell gehen, nur wer Zeit hat, verabredet sich im Kaffeehaus. So wie all die Schriftsteller, die hier lange Stunden mit Schreiben, Lesen und natürlich Diskutieren verbringen konnten.
Berühmte Kaffeehäuser
Das älteste, heute noch existierende Kaffeehaus Triests ist das Caffè Tommaseo, das 1830 von Tomaseo Marcato nahe des Molo Audace gegründet wurde. Seinen heutigen Namen trägt es jedoch nicht nach dem Besitzer, sondern nach Nicolò Tommaseo (1802–1874). Der Schriftsteller, Lexikographen und Politiker stammte aus Dalmatien und kämpfte in Venedig gegen die Vorherrschaft Österreichs. Gelegen im Geschäftsviertel Borgo Teresiano, war das Tommaseo zunächst Treffpunkt von Kaufleuten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen dann die Irredentisten dazu, die hier ihre Schriften für den Anschluss Triests an Italien verfassten.
Das Tommaseo ist mit seinen Stuckverzierungen, rotbetuchten Stühlen und Canapés das wohl eleganteste Kaffeehaus der Stadt. Und auch die Snacks, die zum Aperitif serviert werden, gehören zu den üppigsten. Im Café befindet sich auch ein Restaurant, in dem internationale Klassiker wie Rindertatar, Spaghetti alle vongole, Austern und Gambas serviert werden (Piazza Nicolò Tommaseo 4, Tel. 040362666, http://www.caffetommaseo.it; tgl. 9–22.30 Uhr).
Unweit des Tommaseo eröffnete nur wenige Jahre später, im Jahr 1839, auf der Piazza Unità d’Italia das Caffè degli Specchi. Von den Spiegeln, die ihm den Namen gaben, sind nur noch wenige erhalten, und überhaupt wirkt das Kaffeehaus nach mehrmaligen Renovierungen ziemlich steril. Am schönsten ist es daher, draußen auf der Piazza zu sitzen und mit Blick auf das Meer die flüssige Schokolade, die hier zum Kaffee serviert wird, zu genießen.
Nachdem das Spiegelcaffè 2011 aus Kostengründen schließen musste, bewarben sich die bekanntesten Kaffeeröstereien Italiens wie Illy, Lavazza und Segafredo Zanetti um die Weiterführung, wobei sich letztere durchsetzen konnte. Betrieben wird es von der Konditorei Peratoner aus Pordenone und so ist das Angebot an Torten und Gebäck ausgesprochen groß. (Piazza Unità d’Italia 7, Tel. 040661973, Fb; tgl. 8–24 Uhr.)
Zeitreise mit Kaffee und Gebäck
Das bekannteste Kaffeehaus Triests ist das Antico Caffè San Marco, welches etwas abseits des historischen Zentrums nahe der Fußgängerzone Viale XX Settembre liegt. Jugendstilgemälde, Messingkronleuchter, Marmortische, zu kleinen Sitzecken gruppiert, und zwei große Theken mit Spiegeln – genauso stellt man sich ein Wiener Kaffeehaus vor. Im Kuchenbuffet stehen natürlich Strudel und Sachertorte. Eine kleine Karte mit Speisen bietet zu vernünftigen Preisen illustre Kombinationen wie etwa »Ei, Jerusalem-Artischocke, Kraut« an. Und zu jedem Gericht gibt es auch eine Weinempfehlung (Via Cesare Battisti 18, Tel. 0402035357, http://www.caffesanmarco.com; Mo–Fr 8.30–23, Sa 8.30–24, So 9–21 Uhr).
Neben diesen drei berühmtesten Kaffeehäusern gibt es in Triest natürlich noch eine ganze Reihe weiterer. Dazu zählen das kleine Jugendstilcafé Torinese (Corso Italia 2, Tel. 3896543611; Mo, Mi–Sa 8–2, Di 8–14, So 8.30–21 Uhr) oder das schon 1867 eröffnete Caffè Stella Polare beim Canal Grande (Via Dante Alighieri 14, Tel. 0403409284; tgl. 7–22 Uhr).
Noch kleiner und älter als diese beiden ist die ebenfalls nahe dem Kanal liegende Pasticceria La Bomboniera, mit ihren Köstlichkeiten der k. u. k Monarchie. Hier gibt es etwa die ungarischen Antworten auf die Sachertorte, die Dobos und Rigó Jancsi heißen, sowie natürlich dem Hefenusskranz Gubana (Via Trenta Ottobre 3, Tel. 040632752, Fb; tgl. 8–23 Uhr).
Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer FRIAUL-JULISCH VENETIEN von Sabine Herre.
FRIAUL-JULISCH VENETIEN
Mit Triest, Udine, Grado, Aquileia, dem Weingebiet Collio sowie Ausflügen nach Slowenien
1. Auflage 2024
348 Seiten
ISBN 978-3-89794-647-7
18,95 €