Nordfriesland

Halligalltag – wenn die Nordsee an die Tür klopft

Bauernhaus auf einer Warft der Hallig Hooge, von Wasser umgeben
Hallig Hooge – die Königin der Halligen (© Iryna Shpulak/shutterstock.com)

Die zehn Halligen vor der nordfriesischen Küste sind einzigartig auf der Welt und daher auch besonders schützenswert. Sie liegen im Weltnaturerbe Wattenmeer und sind UNESCO-Biosphärenreserverat, das heißt sie stellen eine international repräsentative Modellregion dar. Sie sind wertvolle Natur- und Kulturlandschaften, in denen die Menschen nachhaltig wirtschaften und im Einklang mit der Natur leben. Von den zehn Halligen sind sieben bewohnt.

Halligen sind keine Inseln. Das mal vorweg. Was aber ist der Unterschied? Halligen sind vor Sturmfluten nicht geschützt, sondern werden regelmäßig überflutet. Nur die Hallig Hooge verfügt über einen kleinen Sommerdeich. Beim sogenannten Landunter werden die Salzwiesen und das Vorland überspült, die auf Warften liegenden Wohnhäuser bleiben meistens verschont. Dennoch kommt es nicht selten vor, dass die Nordsee an der Tür klopf. Wohnhäuser sind dann von den stürmenden Fluten eingeschlossen und ragen einsam aus dem Meer. Im Gegensatz dazu sind Inseln durch Dünen, Deiche oder andere Uferbefestigungen geschützt, ein Landunter findet nicht statt.

Halligen sind sehr wichtig für den Küstenschutz, denn die Wucht der Nordsee wird durch die vorgelagerten Inseln und Halligen gebrochen, so dass sie das Festland abgeschwächt erreicht. Viele Halligen verschwanden in den letzten Jahrhunderten infolge von Eindeichungen und Sturmfluten. Nur die Hamburger Hallig ist an das Festland angeschlossen und per pedes, mit dem Rad oder gegen eine Gebühr auch mit dem Auto erreichbar. Die Halligen liegen verteilt rund um Pellworm. Langeneß ist mit über zehn Quadratkilometern die größte unter ihnen. Auf ihr leben über 110 Menschen auf 21 Warften.

Stets im Wandel

Die Halligen bestehen aus einer Schicht Marschboden der von Salzwiesen überzogen ist. Hier kann kein Süßwasser gespeichert werden. Früher waren die Einwohner also darauf angewiesen, Regenwasser zu speichern. Neben dem Sood, einer Zisterne, in der das Wasser von den Dächern aufgefangen wurde, gab es an der höchsten Stelle der Warft das Fething. Diese angelegte Wasserstelle diente dem Vieh. Bedrohlich wurde es, wenn nach längerer Trockenzeit die Trinkwasservorräte ausgingen oder eine starke Sturmflut sie versalzt hatte. Dann musste Frischwasser mit dem Schiff vom Festland beschafft werden. Seit Beginn der 1960er Jahre gibt es Trinkwasseranschlüsse.

Halligen bildeten sich einst aus einem schlecht entwässerten Niederungsgebiet mit Bruchwäldern, in dem Bäche entstanden. Während der mittelalterlichen Warmzeit stieg der Meeresspiegel an, und noch mehr Wasser drang in die Lücken der Nehrungen ein. Sedimente lagerten sich ab und die ursprünglichen Moore wurden durch das eindringende Salzwasser »vergiftet«. Sturmfluten und Überschwemmungen veränderten die Küstenlinie immer wieder.

Beispielsweise Süderoog

Die herzförmige Hallig Süderoog liegt westlich von Pellworm und ist knapp 60 Hektar groß. Sie gehört zum Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Die Mitglieder der Familie Wree-Spreer, die hier seit 2013 leben, sind die einzigen ständigen Bewohner im Nationalpark, denn ansonsten gehören nur unbewohnte Halligen zum Schutzgebiet.

Nele Wree-Spreer und Holger Spreer betreiben ökologische Landwirtschaft und sind seit 2015 auch ein anerkannter Arche-Hof, der sich um Zucht und Haltung alter Tierrassen kümmert. Zudem sind sie für den Erhalt der Hallig mitverantwortlich, was Uferbefestigungsmaßnahmen, aber auch das Zählen und Erfassen der Brut- und Rastvögel auf Süderoog einschließt. Im Sommer kann die Hallig besucht werden. Entweder per Ausflugsfahrt von Pellworm aus oder im Rahmen einer Wattwanderung.

Familie Wree-Spreer berichtet von ihrem Halligleben ausführlich in den sozialen Netzwerken, wo sie die über 10 000 Follower auch am Landunter teilhaben lässt. Wer einen Eindruck vom heutigen Halligleben bekommen möchte, ist auf ihren Seiten gut aufgehoben. Die Familie besitzt ein kleines Schiff, mit dem die nötigen Besorgungen auf Pellworm oder dem Festland gemacht werden. Zudem gehen die beiden Töchter auf Pellworm in den Kindergarten, was gar nicht so einfach zu managen ist.

Cover des Trescher-Reiseführers Nordfriesland 2024

Dieser Textauszug stammt aus dem Trescher-Reiseführer NORDFRIESLAND von Bürte Lachenmann.

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Mit Wanderungen und Radtouren

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